Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 24.05.2015

Die leeren Wände

An der Vernissage wurde der Chnuri gefragt: «Welches Bild würdest Du bei dir aufhängen?» Eine Frage, die nicht so leicht zu beantworten ist. Wenn schon, dann lieber die Wände weiss lassen, so wie sie jetzt sind, in Chnuri‘s eigenen 4 Wänden.

 

 

Aber 1 Bild würde er aufhängen: Den «blühenden Mandelbaum» von Vincent Van Gogh. Eine Kopie hing früher im Treppenhaus Blumenstein. Natürlich käme nur das Original in Frage. Das wäre fatal, weil man keine Sekunde den Blick vom Bild lassen könnte. Man würde nicht mehr schlafen und keinen Staubsauger mehr zur Hand nehmen. Nur noch schauen. Man würde den Job verlieren und als verwahrloster Einzelgänger enden.
Noch schlimmer wären ein Munch, ein Cézanne oder ein Nolde. Nehmen wir den Eduard Munch, z.B. «Vier Mädchen auf der Brücke». Ein Bild nur, aber so schwer wie der Mond. Es hinge allein an der Wand, weil es keine Konkurrenz erträgt, und würde die Kraft eines Schwarzen Lochs entfalten, das bald die Nachbarhäuser und am Schluss die ganze Thurstrasse verschlucken würde. Das Bild wär zu schwer für Frauenfeld. Es bliebe nicht geheim, dass hier ein echter Munch hängt. Die Leute würden merken, dass etwas massiv nicht mehr so ist wie früher, und kämen, trotz der abgedunkelten Wohnung, dem Chnuri auf die Schliche. Kurz bevor sie verschluckt würden, was der Chnuri natürlich nicht will.

Dann lieber halt ein Bild aus der Vernissage, oder wie gesagt: Gar keins.