Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 27.05.2015

Tschüss, Carlo!

Hatte das Steuer sicher in der Hand:

Nach 12 Jahren in der Frauenfelder Exekutive, davon 10 Jahre als Stadtpräsident, orientiert sich Carlo Parolari beruflich neu. Nach 12 Jahren unausgesetzter anstrengender Exekutiv-Arbeit spürte man in letzter Zeit deutlich, wie sehr er sich auf das Ausklinken freut.

 

 

Carlo, Sie sagten, Ihr Terminkalender weise vom 1. Juni bis ends Jahr keine Einträge auf. Da wär‘s mir ja schön langweilig.
Das heisst nicht, dass ich nicht arbeite! Am 3. August fange ich am neuen Ort an: In der Anwaltskanzlei, in der ich vorher schon für neun Jahre Partner war, bei Bürgi-Hotz-Zellweger an der Bahnhofstrasse 49a. Von Langeweile keine Spur.

In den vergangenen 12 Jahren, zuerst 2 Jahre als Stadtrat, dann 10 Jahre als Stadtpräsident, haben Sie Frauenfeld an vorderster Front mitgeprägt. Können Sie in kurzen Worten schildern, welche Projekte unter Ihrer Federführung realisiert worden sind?
Ich möchte betonen: Es ist ja immer ein Team dahinter. Alle wichtigen Projekte und Fragen beschliesst der Stadtrat, je nach dem zusammen mit dem Gemeinderat oder sogar mit der Bevölkerung. Da sind zudem Teams von Mitarbeitenden der Stadt beteiligt, und häufig erfolgen nur die Ideen und Anstösse zum Projekt vonseiten des Stadtrats oder von mir selbst.
In den vergangenen 12 Jahren haben wir vieles angestossen: Darunter einiges, das vielleicht erst in ein paar Jahren zum Tragen kommt. Ich konnte im Energiebereich Akzente setzen, Stichworte: Kleinwasserkraftwerk, Kompo-Gas-Geschichte, Marktöffnung. Die Werkbetriebe Frauenfeld sind heute sehr gut aufgestellt. Das Bewusstsein für den sorgsamen Umgang mit Energie hat sich stark geändert.
Im Bereich Kultur – der ist ein bisschen mein Steckenpferd – bin ich stolz, dass wir so vieles aufgegleist haben: Kontakte knüpfen mit Veranstaltern und Vereinen, Bildhauerwoche, Kunstwürfel, Baliere, Kulturkonzept, Kulturpool Regio, da haben wir sicher gut gearbeitet. Auch Gemeinschaftswerke wie Murg-Auen-Park, Lindenpark, Versuchsbetrieb Begegnungszone Altstadt sind auf gutem Weg. Und: Heute haben wir eine ganz andere Arbeitskultur in der Stadtverwaltung, als dies vor Jahren noch der Fall war.
Ein Riesenprojekt ist nach wie vor die Planungszone Ost. Langsam realisieren die Leute, was der Stadtrat dort gewollt hat. Ein tolerierbares Verhältnis zur Innenstadt zu schaffen, damit diese nicht ausblutet, aber ohne die Dynamik im Osten zu bremsen. Ich glaube, das ist uns gelungen. Gerade entlang der Langfeldstrasse konnten wir eine gute Entwicklung einleiten, und insbesondere die Industrieansiedlungen ganz im Osten der Stadt stehen nicht von ungefähr dort. Wir haben uns extrem um sie bemüht. Wir konnten – glaube ich – hervorragende Firmen dort ansiedeln.

Wie viele Arbeitsplätze hat der Stadtrat in dieser Zeit nach Frauenfeld geholt?
Genau kann ich das nicht sagen. Auch das Klima rund um den Grossraum Zürich bringt Arbeitsplätze. Es sind mehrere hundert, in den letzten 10 Jahren vielleicht mehrere tausend. Frauenfeld war gesamtschweizerisch immer einer der Top-Skorer in der Ansiedlung von Arbeitsplätzen im Verhältnis zur Wohnbevölkerung.

Wenn wir in den Dezember 2015 extrapolieren: Was wird Ihnen aus Ihrer Amtszeit – nach dem gewissen zeitlichen Abstand – wohl immer in Erinnerung bleiben?
Bleiben werden die physischen, handfesten Dinge wie der neue Stadtpark. Mir sind aber die «spirituellen» Dinge mindestens so wichtig, die wir im Stadtrat gemeinsam schaffen konnten: Die Stimmung uund Öffnung im kulturellen und aussenpolitischen Bereich. Ich habe mir immer Mühe gegeben, dass wir nicht nur unser Gärtchen pflegen, sondern uns in der Regio und im Metropolitanraum vernetzen. Das wird in Zukunft immer wichtiger werden.

Sie haben gesagt: Die ersten 10 Jahre in der Exekutive waren top. Wir konnten wie am Schnürchen handeln. In den letzten 2 Jahren hat es angefangen zu harzen. Was ist genau passiert?
Wenn ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen in anderen Städten rede, so machen diese die gleiche Erfahrung: Generell wird die Bevölkerung kritischer, es wird vieles und oft alles hinterfragt und in Frage gestellt, was früher sicher weniger der Fall war. In der Politik ereignen sich heftige Polarisierungen, wo man weniger die Dinge sachlich im Pro und Kontra diskutiert, sondern parteipolitische Positionen vertritt, statt den berühmten schweizerischen Kompromiss zu suchen und zu finden. Dieses «Auf-meinem-Standpunkt-Beharren» ist mittlerweile überall und nicht nur in Frauenfeld feststellbar. Mir macht das schon ein bisschen Sorgen. Da verlieren wir etwas Wesentliches.

Aber letzteres war für Sie schon ein bisschen ein Grund, die Lebens- und Berufsgestaltung in der Mitte des Lebens noch einmal zu überdenken?
Nein! Da möchte ich ganz klar festhalten: Nein! Das war eine klare Abmachung mit meiner Familie vor Amtsantritt, dass ich das 10 Jahre mache, und ich bin sehr froh, dass ich das durchgezogen habe und bei meinem Entscheid geblieben bin. 12 Jahre in einer Exekutive sind genug. Mehr wäre zuviel. Ich freue mich, mit 53 noch einmal etwas Neues anzufangen.

Carlo, Ihre Leistungsbilanz ist hervorragend, auch Jürg Mani lässt Sie nur ungern ziehen.
(lacht:) Mit ihm war das eine faire und sachliche Auseinandersetzung. Ich liebe ja eigentlich den politischen Disput und streite mich gern in einem anregenden und positiven Sinn, das bringt einen weiter. Wenn man nur Kopfnicker um einen herum hätte, das wär öde. Ich mochte es, wenn man mir in der Sache widersprochen und den Spiegel hingehalten hat.

Wir würden uns freuen, wenn man Sie wieder irgendwo sieht. Viel Freude und Glück in der Nach-Präsidenten-Ära!