Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 03.06.2015

Vom Industrieareal zum Konsumtempel

Stadtgeschichten

Wäre nicht der Murglauf, nicht das Schloss und nicht die Brücke auf beiden Bildern sogleich zu lokalisieren, würde kaum jemand auf Anhieb erkennen, dass beide Male dasselbe Areal fotografiert wurde. Auf der Fläche der einstigen Bleicherei links und rechts der Murg greifen um 1910 die Industriebauten der Maschinenfabrik Martini (Bildmitte) und der bereits liquidierten Greuterschen Rotfarb (auf dem rechten Murgufer) beinahe wahllos gewürfelt um sich. Kaum zu glauben, dass in diesen Fabriken bis zu 600 Arbeitskräfte beschäftigt wurden.

 

 

Die wenigen Wohnhäuser hinter der Brücke hatten einst bessere Zeiten gesehen, als die Strasse und die Holzbrücke mit ihnen noch auf gleichem Niveau waren. Nun sind sie unter der neuen Brücke wie ertrunken.
Im Verlauf von fast 100 Jahren ist im Bleicheareal buchstäblich kein Stein auf dem andern geblieben. Wie eine neue Bleichewiese breitet sich das begrünte Dach der COOP-Garagen neuerdings aus. Statt ölverschmierter Hände und fleckiger «Übergwändli» trifft man unter diesen Dächern alle Verlockungen modernen Konsums in farbigster Präsentation. Von den Greuterschen Industrieanlagen sind einige durch Zweckbauten der 1960er Jahre abgelöst worden. Wird ihnen das gleiche Schicksal wie dem Spitalturm im Hintergrund beschieden sein? Wer genau hinschaut, entdeckt genau in der Bildmitte noch ein paar Gebäude aus Greuters Zeit. «Nicht die schlechtesten», denkt man unwillkürlich beim Betrachten.
Text Angelus Hux, Frauenfeld; Altes Bild: Sammlung A. Hartmann, Frauenfeld; Foto 2015 © FW

 

 

Vom Industrieareal zum Konsumtempel