Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 19.10.2022

Parteien: Von Ja, aber… bis klare Ablehnung

Umfrage zum geplanten Casino-Verkauf

Die Meldung des Stadtrats zum geplanten Verkauf des Casinos zwecks Abriss und nachfolgender Erstellung eines neuen Gebäudekomplexes (FW vom 12. Oktober) wirft Wellen. Wie eine Umfrage zeigt, gibts bei den Stadtparteien kontroverse Meinungen und viele Fragen.

 

 

Das im Jahr 1959 eröffnete Casino am Bahnhofplatz inklusive dem dahinter liegenden Bürogebäude soll verkauft werden, damit ein einheitlich gestalteter Gebäudekomplex erstellt werden kann. Geplant sind gemäss Mitteilung der Stadt Büro- und Gewerbeflächen mitten im Herzen von Frauenfeld, wodurch auch der Bahnhofplatz wesentlich belebt und aufgewertet werden könne. Mit dem Verkaufserlös soll in Bahnhofsnähe ein wesentlich zeitgemässeres Eventlokal entstehen, das vom Casino-Team weitergeführt wird. Die Frauenfelder Woche hat die im Gemeinderat vertretenen Parteien um ihre Meinung zu diesen Plänen befragt.

Chrampfe & Hirne
Anita Bernhard, CH: «Den Entscheid des Stadtrates kann ich grundsätzlich nachvollziehen, denn tatsächlich verschlänge die Sanierung des Casinos wohl Unsummen. Zudem bietet ein Gestaltungsplan über beide Parzellen sicherlich bessere Chancen und vielversprechendere Möglichkeiten.
Die Stadt bleibt jedoch in Sachen Baubewilligung in der Pflicht: der neue Gebäudekomplex muss ästhetisch wie auch städtebaulich höchsten Anforderungen genügen – dazu gehört unter anderem auch eine publikumswirksame Nutzung des Erdgeschosses. Zudem sollte ein Teil allfälliger Wohneinheiten im Sinne des Reglements über die Förderung von preisgünstigem Wohnraum erstellt und vermietet werden.»

Die Mitte
Beda Stähelin, Die Mitte: «Die wichtigsten Fragen zum Casino-Verkauf sind noch offen. Das Geschäft ist eine Chance für Frauenfeld, wenn der Verkaufspreis stimmt, wenn damit zeitnah ein mindestens gleichwertiges Eventlokal in Bahnhofnähe realisiert werden kann und wenn der Neubau anstelle des Casinos tatsächlich eine Aufwertung des Bahnhofplatzes bedeutet. Wenn diese drei Voraussetzungen nicht erfüllt sind, wird’s schwierig.»

Eidgenössisch-Demokratische Union
Christian Mader, EDU: Angesichts der anstehenden, unumgänglichen Totalsanierung, die mehrere Millionen Franken verschlingt und der Tatsache, dass ein attraktives Kaufangebot vorliegt, ist der Entscheid des Stadtrates zum Verkauf der Liegenschaft nachvollziehbar.
Als Bürger ist für mich entscheidend, dass Frauenfeld ohne Unterbruch über ein angemessenes Eventlokal verfügt und in Bahnhofsnähe wieder ein den heutigen Ansprüchen gerecht werdendes solches Lokal entsteht.»

Evangelische Volkspartei
Stefan Eggimann, EVP: «Der Verkauf des Casinos bietet Chancen für etwas Besseres. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass es sich bei den möglichen Ersatzlösungen erst um Ideen handelt und noch nichts konkret ist. Nun gilt es erstmal, die Botschaft des Stadtrates abzuwarten.»

FDP.Die Liberalen Frauenfeld
Reto Brunschweiler, FDP: «Ein Verkauf des Casino bietet für die Stadt einige Chancen. Man wird ein altes Gebäude mit absehbarem hohem Investitionsbedarf los, erhält städtebaulich die Möglichkeit, eine modernen und ansprechenden Häuserfront als Visitenkarte von Frauenfeld zu schaffen und bietet damit zugleich die Möglichkeit einer intensiveren Nutzung des Raumes direkt am Bahnhofplatz für Gewerbe und Wohnen. Der Verkauf muss aber zu einem für die Stadt guten Preis erfolgen, damit für einen Ersatzbau des Casinos – und so einen braucht es unbedingt – die Finanzen gesichert sind. Ob der Betrieb eines Casinos aber Aufgabe der öffentlichen Hand sein soll, muss noch geklärt werden.»

Grüne Partei
Michael Pöll, Grüne: «Durch den Verkauf befeuert die Stadt die Wegwerfkultur im Bauen. Anstatt den Weg für einen weiteren ‹Renditeklotz› freizumachen, sollte die Stadt darauf hinwirken, möglichst viel der Bausubstanz zu erhalten und weiter zu entwickeln.»

Grünliberale Partei
Andreas Schelling, Grünliberale Partei: «Das Casino hat viele wichtige kulturelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Anlässe beherbergt. Vor allem ältere Frauenfelderinnen und Frauenfelder verbinden viele Erinnerungen mit diesem Eventlokal. Der Standort bietet die Chance, am Bahnhof einen neuen städtebaulichen Akzent zu schaffen mit einem nachhaltigen Neubau, der hochwertige Arbeitsplätze und Geschäftslokale bietet sowie eine Brücke bildet zum neu zu entwickelnden Areal der alten Stadtkaserne. Als Casino-Ersatz wünschen wir uns ein flexibel und vielseitig nutzbares Eventgebäude mit einem grösseren Saal, das sich aber weiterhin in Bahnhofnähe befinden sollte.»

Schweizerische Volkspartei
Marcel Flury, SVP: «Da sich der Casino-Saal nach wie vor sehr ansprechend und festlich präsentiert, hat uns der Entscheid des Stadtrats, das Casino zu verkaufen, sehr überrascht. Die angeführten Gründe – hohe Sanierungskosten, Liegenschaftenstrategie sowie die neuen Möglichkeiten durch die zivile Nutzung der Stadtkaserne – sind nachvollziehbar, gleichzeitig stellen sich für uns aber auch folgende Fragen: Konnten die in den letzten Jahren vorgenommenen Investitionen bereits alle amortisiert werden? Kann tatsächlich innerhalb von zwei Jahren ein gleichwertiger Ersatz bereitgestellt werden? Mit welchen Auswirkungen müssen die Steuerzahler rechnen?
Mit dem Verkauf des Casinos verliert Frauenfeld einen Ort, der für die verschiedensten kulturellen Veranstaltungen wie zum Beispiel Theateraufführungen, klassische Konzerte oder Firmenanlässe einen idealen und edlen Rahmen bietet. Verlieren werden wir auch einen Teil unserer Kulturgeschichte, die durch das Casino mitgeprägt wurde. Dass der Stadtrat noch kein klares Konzept für den Ersatz des Casinos aufzeigen konnte, hat uns befremdet.»

Sozialdemokratische Partei
Lukas Hefti, SP: «Nach der überraschenden Ankündigung bleibt der Stadtrat noch viele Informationen für die Diskussion im Gemeinderat schuldig - zu den Verkaufsmodalitäten, zur künftigen Nutzung und zu den eigenen Plänen. Ein zeitgemässes Lokal für Kultur – Konzert, Theater und Weiteres – Kongresse und grössere Veranstaltungen, das nahtlos bezogen werden kann, erachtet die SP als unabdingbar. Und wir sehen es als dringend notwendig an, dass das Amt für Gesellschaft und Integration neue Räumlichkeiten an weiterhin zentraler Lage beziehen kann. Einem hochwertigen und städtebaulich attraktiven Neubau mit Auflagen – Parkplätzen unter der Erde, Photovoltaik auf dem Dach, öffentliche Erdgeschossnutzung – sehen wir positiv entgegen, möchten aber festhalten, dass für beide Neubauten gute Abstimmungen mit der künftigen Nutzung der Stadtkaserne sowie mit der Zukunft der Festhütte nötig sind.»

Andreas Anderegg

Vom Hotel-Saal zur nationalen Plattform
Das Casino am Bahnhofplatz wurde am 9. Januar 1959 eröffnet und es trägt die Handschrift von Architekt Armin Possert. Mit dieser Eröffnung ging damals eine jahrelange Saal-Misere zu Ende, wie dem Buch «Frauenfeld, Geschichte einer Stadt im 19. und 20. Jahrhundert» von Beat Gnädinger und Gregor Spuhler zu entnehmen ist. Denn in Frauenfeld fehlte seit längerer Zeit ein Saal für kulturelle Veranstaltungen, Tagungen und grössere Anlässe der städtischen Vereine. Es war die Bahnhofsaal AG (später Casino AG) mit den beiden Hauptaktionären Hotelier Heinz Dumelin (Hotel Bahnhof) und Walter
Tuchschmid, die unterstützt von der Stadt den Saal-Mangel im Jahr 1959 beendete. 1971 kündigte Hotelier Dumelin seinen Pachtvertrag, womit auch die Hotelküche dem Saalbau nicht mehr zur Verfügung stand. Deshalb wurde das Essen für die Casino-Anlässe ab diesem Zeitpunkt extern zubereitet, ehe 1987 bei der ersten grossen Sanierung des Casino-Gebäudes eine Küche eingebaut wurde.
Nach etlichen Jahren des Auf und Ab – die Stadt war mittlerweile Hauptaktionärin der Casino AG – pachteten Richard und Marta
Weber das Casino im August 1987. Dies blieb auch so, als die Stadt im Jahr 2004 das Gebäude bei der Auflösung der Casino AG übernahm und es seither als stadteigenen Betrieb führt. Bis zur Pensionierung Ende 2015 hatten Richard und
Marta Weber das Casino gepachtet und sie machten es in 28 Jahren mit einem attraktiven Angebot im Theater-, Konzert- und Comedy-Bereich sowie vielen Anlässen im Tagungsbereich zu einer Veranstaltungsstätte erster Güte. Zu jener Zeit führten sie pro Jahr rund 150 Veranstaltungen mit über 30 000 Gästen durch. Unterstützt wurde diese positive Entwicklung durch einen über 5 Millionen Franken teuren Umbau, mit dem das Casino vor rund 20 Jahren in eine der modernsten Veranstaltungsstätten der Ostschweiz verwandelt wurde. Seit 2016 wird das Casino als stadteigener Betrieb durch Shariel Bachmann geführt.

(aa)