Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 05.07.2023

Frauenfeld, Kairo, Frauenfeld – und wieder zurück Flächige Malerei und tausende Eindrücke

Frauenfeld, Kairo, Frauenfeld – und wieder zurück

Zehn Monate lebte Carole Isler in Kairo. Ende Mai kehrte sie mit einigen Kunstwerken, vielen Geschichten und unzähligen Eindrücken nach Frauenfeld zurück. Sie erzählt über Sprachbarrieren, unterstützende Einheimische, Sicherheitsfaktoren und wie sich ihre Kunst in dieser Zeit verändert hat.

 

 

Ohne das vergebene Künstleratelier der Kulturpool Regio Frauenfeld, wäre Carole Isler wohl nie nach Kairo gekommen: «Ich bin für die Chance unglaublich dankbar und empfinde es als Privileg, mich ohne finanzielle Sorgen eine so lange Zeit meinem künstlerischen Schaffen widmen zu können», sagt sie rückblickend. Nachdem Isler bereits 2014 vom Künstleratelier profitieren durfte – frisch von der Uni nach Buenos Aires – ging es dieses Mal nach Ägypten. Land, Menschen und Kultur faszinierten die Frauenfelder Künstlerin so sehr, dass sie den Aufenthalt auf eigene Kosten um vier Monate verlängerte. Seit gut einem Monat ist sie nun wieder in der Schweiz und erinnert sich gerne an ihre Zeit in Kairo zurück – auch wenn sie sich dort vielen Herausforderungen stellen musste.

Unglücklicher Start
Das fing schon kurz nach ihrer Ankunft an. «Mein Gepäck war weg und ich musste eine Zeit lang ohne auskommen», erzählt Carole Isler. Das habe das Ankommen erschwert. Nicht nur wegen der Kleidung und des Malmaterials. «Beispielsweise ein Aufladekabel für meinen Laptop zu organisieren, war gar nicht so einfach». Sie baute aber schnell Freundschaften zu anderen Künstlern auf und auch die Sprache versuchte sie zu lernen. Letzteres mit mässigem Erfolg, daher war das Handy samt Übersetzungs-App ihr ständiger Begleiter. «Oft verständigte ich mich auch in Englisch oder mit Skizzen.»

Hin und wieder sei es auch zu irritierenden Situationen gekommen, wenn «die App mal etwas nicht korrekt oder missverständlich übersetzt hatte, was verdutzte Blicke oder schallendes Lachen auslöste».

Sicherheit
Carole Isler empfand die Ägypter als offenes, herzliches Volk, das Stolz auf ihr Land ist. Der bleibende Eindruck sei durchwegs positiv. «Ich fühlte mich grundsätzlich wohl und sicher, vor allem weil man nirgends allein ist. Gewisse Gegenden gilt es aber zu meiden. Bestimmt würde ich als Mann die Destination Ägypten entspannter erleben».
Weitere Faktoren, die in Ägypten verunsichern, sind die wirtschaftliche Lage und diejenige im Sudan. Auch die Armut beschäftigt. An dieser Stelle sei erwähnt, dass auch nach Rücksprache mit Carole Isler hier bewusst darauf verzichtet wird, die Themen Politik oder Gleichberechtigung näher aufzugreifen.

Kontrast gesucht
Sechs Monate lebte Carole Isler mitten in Kairo und alternierend auf einer kleinen Insel. «Die Unterschiede sowie die Gemeinsamkeiten im Alltag, Verhalten, Architektur und natürlich nicht zuletzt der Menschen war sehr spannend», sagt sie. Besonders beeindruckt hat die Frauenfelderin nicht nur Landschaft und Architektur, sondern vor allem eines: «Der Optimismus der Menschen und wie sie bereit sind, eine Sache lösungsorientiert anzugehen, hat mir imponiert».

Besondere Einladung
Inspiration hatte Carole Isler genug. «Ich konnte gar nicht alle Themen verfolgen, die sich mir boten», erzählt sie. Anderen wiederum habe sie nicht aus dem Weg gehen können – beispielsweise dem Thema Kopftuch. «Es hat sich aufgedrängt, nebst Alltagssituationen auch Frauen und ihr Haar zu malen, das ich mit Farbflächen oder Kopftüchern abdeckte. Zuweilen ist nicht genau erkennbar, ob nun Frauenhaar oder Stoff sichtbar ist. Das wird den Betrachtenden überlassen.» Mit ihrer Kunst will Carole Isler aber keineswegs Stellung beziehen, sondern nur abbilden, was sie vorfand. «Es spielt keine Rolle, ob mit oder ohne Kopftuch. Spannend waren die unzähligen Gedanken dahinter. Beispielsweise, welchen Wert Frauenhaar plötzlich hat oder ob das Thema Unsicherheiten auslöst», erklärt die Künstlerin.
Heimgekommen ist Carole Isler dann mit einem vollen Skizzenbuch, das sie immer bei sich getragen hat sowie sieben grossformatigen Werken. Zehn weitere Malereien liess sie zurück, denn: «Ich werde Mitte Oktober für zwei oder drei Monate zurückgehen, um einige Bilder fertigzustellen. Ich wurde zudem eingeladen, bei einer grossen Gruppenausstellung mit über 100 Kunstschaffenden in der Zitadelle von Kairo mitzumachen. Diese Gelegenheit lasse ich mir natürlich nicht entgehen», so die Künstlerin stolz. Michael Anderegg