Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 22.11.2023

Eine Million Kubikmeter Holz mehr aus dem Schweizer Wald

Lignum-Delegiertenversammlung in Märstetten

Lignum, Holzwirtschaft Schweiz vereinigt die bauorientierte Wertschöpfungskette Holz von der Waldwirtschaft über die Holzindustrie und den Handel bis zu Holzbau und Schreinerei. Die Delegierten der Dachorganisation traten letzte Woche in Märstetten zusammen. Dabei lancierte Lignum-Präsident und Ständerat Jakob Stark (SVP/TG) ehrgeizige Ziele für die Holznutzung im Schweizer Wald und das weitere Wachstum der Holzanwendung.

 

 

Nichts los in Sachen Holz hinter Winterthur? Weit gefehlt. Derzeit findet etwa das neue Martin-Haffter-Schulhaus in Weinfelden gerade viel Beachtung in Fachkreisen – und das über die Schweiz hinaus. 2019 haben die Stimmbürger dem Kredit für den Ersatzneubau des alten Primarschulhauses zugestimmt. 2021 wurde der dreigeschossige Minergie-P-Neubau fertiggestellt. Der Holzbau folgt einem Entwurf des Architekturbüros Isler Gysel Architektur GmbH aus Zürich zusammen mit Pirmin Jung Schweiz AG (Sargans) als Holzbauingenieuren. Gebaut wurde bewusst mit Holz aus der Region.


Genau diesem Ansatz will Lignum-Präsident Jakob Stark Schub verleihen. Derzeit entwickelt der Bund unter Federführung des Bundesamtes für Umwelt in enger Kooperation mit der Branche eine integrale Strategie für Wald und Holz, die dem Bundesrat Ende nächsten Jahres vorgelegt werden soll.


Die Haltung der Wald- und Holzwirtschaft ist klar: «Wir wollen, dass die Holznutzung verstärkt wird, ohne dass dabei die anderen Waldfunktionen beschnitten werden», erklärte Ständerat Stark vor den rund 50 Delegierten und Gästen, die sich am Mittwoch unweit von Weinfelden, am Standort Märstetten des grossen Holzhandelsunternehmens Kuratle & Jaecker AG, versammelt hatten. «Für jeden Kubikmeter geerntetes Holz sollte es künftig einen Beitrag geben, abgestuft nach der Steilheit des Geländes», zeigt sich Stark überzeugt. Derzeit kommen jedes Jahr nur etwa fünf Millionen Kubikmeter Holz aus dem Schweizer Wald – die Hälfte des jährlichen Zuwachses. Dabei könnten es – darin sind sich Branche und Bund einig – etwas mehr als acht Millionen Kubikmeter sein, ohne dass der Grundsatz nachhaltiger Bewirtschaftung in Gefahr geriete.


 


Neue Chancen für Schweizer Holz


Bundesverwaltungsrichter Marc Steiner erläuterte den Anwesenden, welche Möglichkeiten für die vermehrte Anwendung von Schweizer Holz das revidierte öffentliche Beschaffungswesen im Verbund mit dem seit 2017 geltenden Waldgesetz eröffnet. Dieses hält den Bund an, bei der Planung, der Errichtung und dem Betrieb eigener Bauten und Anlagen soweit geeignet die Verwendung von nachhaltig produziertem Holz zu fördern. Besonders gute Chancen erkennt Steiner in der Verwendung von eigenem Holz öffentlicher Bauherrschaften, seien es Gemeinden oder Kantone. Steiner verwies in diesem Zusammenhang auf den Erweiterungsbau des Regierungsgebäudes in Frauenfeld. Er wird als urbaner Holzbau in Erscheinung treten. Der Holzbedarf für die Tragkonstruktion kann vollständig aus dem Staatswald gedeckt werden. Weitere kräftige Impulse, zeigte sich Steiner überzeugt, kämen künftig schweizweit aus dem im Juni 2023 an der Urne angenommenen Klimagesetz und aus der Vorlage zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft, die in der parlamentarischen Beratung steht.


 


Ohne Importe geht es nicht


Die Versammlung unterstützte in der Diskussion den Gedanken einer Mehrnutzung des Schweizer Waldes. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass noch nichts gewonnen ist, wenn es bei einer Prämie für die reine Mengenausweitung bleibt – es braucht auch eine Lenkung in ressourceneffiziente, intelligente Anwendungen. Überdies muss das zusätzlich geerntete Holz auch in der Schweiz verarbeitet werden können. Dafür braucht es ein Wiedererstarken der in den letzten Jahrzehnten empfindlich geschrumpften Sägeindustrie und einen kräftigen Ausbau bei Unternehmen, welche die vom Holzbaumarkt nachgefragten Bauprodukte aus dem Schnittholz fertigen können, vor allem verleimte Produkte wie Brettschichtholz.


In dieser Hinsicht ist der Investitionsbedarf enorm: Die in der Schweiz verbliebene Holzindustrie vermag nur etwa einen Drittel der Marktnachfrage nach Holzbauprodukten zu decken. Eben deshalb geht es in der Schweizer Holzbranche nicht ohne die eingespielten internationalen Netzwerke des Handels.   


 


Grussworte Kanton und Gemeinde


Ein Grusswort richtete auch der Thurgauer Regierungspräsident Urs Martin an die Versammlung in Märstetten – in sportlich-legerem Outfit angesichts der gleichentags angesetzten traditionellen Hörnlitagung, an der sich die Regierungen der Kantone Thurgau, St. Gallen und Zürich alljährlich informell austauschen, diesmal beim Kegeln, wie der Vorsteher des Departementes für Finanzen und Soziales zu Protokoll gab.


Er ermunterte die Branche, sich konzertiert in Bundesbern einzugeben. Er hielt fest: «Im Thurgau sind wir es gewöhnt, auf nachhaltiges Holz zu setzen. Die Bevölkerung hat unglaubliche Sympathie dafür.»


Ebenfalls vor Ort war die Märstetter Gemeindepräsidentin Susanne Vaccari-Ruch. Sie dankte dafür, die Lignum-Delegiertenversammlung in ihrer Gemeinde abzuhalten. «Das Gewerbe geniesst bei uns hohe Aufmerksamkeit», sagte Vaccari-Ruch. Sie zeigte sich beeindruckt von der innovativen Konstruktion des Neubaus von Kuratle & Jaecker AG, der in Rekordzeit das Baubewilligungsverfahren durchlaufen hatte: Die Rampe aus Holz, über welche Autos direkt aufs Parkdeck auf dem Dach gelangen, ist in der Schweiz derzeit wohl singulär.


(zvg)