Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 19.05.2016

Fernwärme Frauenfeld: Wo liegt der Hund begraben?

Kalt, kalt, kalt ... warm ... heiss!

Zurzeit wird rund um die Fernwärme Frauenfeld AG heftig diskutiert. Stefan Geiges und Peter Hausammann, zwei Frauenfelder Gemeinderäte, kritisieren Ungereimtheiten rund um das kostspielige Projekt. Die Abstimmung wurde auf den Herbst verschoben (s. diverse Artikel in unserer Zeitung). Wir sprachen mit den beiden.

 

 

Was ist ein Fernwärmering?
Mit einem (kalten) Fernwärmering wird – gereinigtes – Wasser mit einer durchschnittlichen Temperatur von 10-13 Grad aus der ARA (Abwasserreinigungsanlage) zu den Verbrauchern gepumpt. In den Gebäuden wird das Wasser mit Wärmepumpen aufs das gewünschte Temperaturniveau gebracht. Womit die Liegenschaften zu einem Drittel mit Strom und zu zwei Dritteln mit Umweltwärme beheizt werden. Apropos Wärmepumpe: funktioniert wie ein Kühlschrank, nur umgekehrt; also aussen kalt – innen warm. Fernwärmekunden sind u.a. Wohnpark Promenade, Regierungsgebäude, Kanti, Staatsarchiv, Werkbetriebe, um die grösseren zu nennen.

Wo liegt das Problem?
Diese Art der Energiegewinnung über Fernwärme ist ökologisch sinnvoll. Sie ist aber teuer und hat eine lange Abschreibungszeit. Die Probleme liegen grundsätzlich nicht in der Technik, nicht im System, nicht im Bau (es ist gut und zügig gebaut worden), nicht in der «Hardware», das gilt es festzuhalten (obwohl das Projekt auch Fragen aufwirft). Man kann sich zwar durchaus darüber streiten, ob eine so teure Anlage ökonomisch Sinn macht. Ökologisch macht sie Sinn auf lange Sicht. Dem Naturschutzgedanken und der Ressourcenschonung wird Rechnung getragen, das kostet halt. Die höheren Kosten, um die das vorliegende Wärmesystem teurer ist als eine konventionelle Energiegewinnung (z.B. Holzschnitzelheizung) stellen wir (Hausammann / Geiges) nicht in Frage. Das Problem liegt in der «Software»: Sie liegt in politischen, rechtlichen Ungereimtheiten. Wir streiten hier nicht über das System, sondern über dessen Umsetzung und Finanzierung.

Wo liegt der Hund begraben?
Bittere Ursache des ganzen Schla­massels ist, dass eine Aktiengesellschaft gegründet worden ist. Eine AG. Die «Wärme Frauenfeld AG», kurz: WFAG. Und zwar am Gemeinderat und am Volk vorbei.

Warum?
Man hat also für das Millionenprojekt eine AG gegründet. Das musste damals schnell gehen, man stand unter Zeitdruck wegen der Neubauten des Regierungsgebäudes und der Huber-Über­bauung. Die Gründung einer AG ist zugegeben ein geschickter Schachzug: Eine AG muss nicht an die Öffentlichkeit gehen! Sie muss niemandem Auskunft erteilen, ist niemandem Rechenschaft schuldig. AG’s gründet man z.B., um Geschäfts-Interna und Innovationen geheim halten zu können. Der Stadtrat hätte damals genug Zeit gehabt, das Einverständnis des Volkes oder des Gemeinderates zum Bau der Fernwärmering-Leitung einzuholen. Aber eben, es pressierte, und um einem allfälligen Nein durch Gemeinderat und Volk (Volksabstimmung!) zuvorzukommen, wurde kurzerhand eine AG gegründet. Praktisch: Eine AG kann schalten und walten, wie sie will, sie ist nur sich selbst Rechenschaft schuldig und niemandem sonst. Und dann wurde gebaut unter dem Deckmantel der AG, im 2012. Am 25. Juni 2013 wurde der Wärmering in Betrieb genommen.

Das heisst also, dass man ohne klaren Auftrag durch das Volk, aber mit dessen Steuergeldern, diesen Wärmering gebaut hat?
Jawohl, genau das heisst es. Aber es wird noch komplizierter. Mir (Stefan Geiges) war das von Beginn weg nicht geheuer. Warum gründen die eine AG? Was gibt es da zu verstecken? Auf meine einfache Anfrage hiess es, die AG sei kein Problem, es laufe alles korrekt. Ich liess nicht locker, stiess aber überall auf Beton. Dann kontaktierte mich
Peter Hausammann. Wir reichten zwei Motionen ein, beide mit dem Ziel: Schafft Transparenz! Und um in Zukunft zu verhindern, dass man einfach eine AG gründen kann mit einem Aktienkapital von Fr. 300 000.–, denn die Übung «Fernwärme» wird uns am Schluss 15 Millionen Franken kosten! Der Stadtrat erklärte eine Motion für «nicht erheblich» – im Gegensatz zum Gemeinderat. Dieser erklärte beide Motionen für «erheblich». So ging das her und hin.

Eine AG kann man nicht knacken!...
Genau. Man hielt uns immer hin mit dem Bescheid, die Hände seien gebunden, sie dürften keine Auskunft geben, weil sie damit das Aktienrecht und den abgeschlossenen Aktionärsbindungsvertrag verletzen würden. Schweigepflicht! Ohne AG könnten wir zu Ernst Haas von den Werkbetrieben, zu Ruedi Huber oder zu den Winterthurern gehen, und sie müssten uns zwingend Auskunft geben. Der Gemeinderat hätte nie und nimmer Ja gesagt zu einem solchen Konstrukt und damit zu seiner Entrechtung. Wobei auch hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

Man spricht von bis zu 8 Millionen Franken, die durch undurchsichtige Kanäle geflossen sind...
Es hat sich herausgestellt, dass die AG akute Liquiditätsprobleme hat. Und scheibchenweise ist herausgekommen, dass Millionenbeträge aus der Stadtkasse in die AG geflossen sind – wieder am Gemeinderat und am Volk vorbei. Wer hat wo wieviel Geld transferiert? Eine AG ist ein Buch mit sieben Siegeln. Sie kann sich immer damit herausreden, aus Rücksicht auf die Partner dürfe man nichts sagen.
Bei Strompreis, Wasserpreis, Gaspreis gibt es im Normalfall klare Reglemente, die im Gemeinderat verhandelt werden, und der Stadtrat mit den Werkbetrieben hat eine gewisse Marge. Das ist transparent, das muss der Stadtrat nach den ausgehandelten Bestimmungen präzis verrechnen. Aber nicht in einer AG: Dort kannst du dem einen, der etwas frecher und vorlauter auftritt, einen besseren Preis geben. Das geht jetzt schon Jahre so! Gegen diese undurchsichtigen Geschäfte wehren wir uns dezidiert.

Wer kam denn auf die Idee, die Fernwärme in eine AG zu verpacken?
Das ist ein Stadtratsbeschluss von Mitte 2012. Dem Stadtrat war offenbar schon damals sehr unwohl bei der Sache. Denn bei jeder Kleinigkeit geht eine Medienmitteilung raus, aber hier, als der Stadtrat eine AG gründete für ein 15-Millionen-Projekt, herrschte Schweigen im Wald. Wir behaupten, dass die AG nur ein Konstrukt ist, um Volk und Gemeinderat draussen zu halten. Das muss jetzt subito aufhören.

Hat das Vorgehen der Wärme Frauenfeld AG strafrechtliche Konsequenzen?
Wir gehen nicht davon aus, dass bewusst gemauschelt wurde, sondern dass Angst und Zeitdruck (s. oben) hinter diesem Konstrukt stehen. Wir unterstellen NIEMANDEM, dass es um persönliche Vorteile ging.

Zusammenfassung:

Was muss jetzt geschehen?
Man muss vorab folgendes festhalten: Der EINSTIEG ins Wärmeprojekt war ein guter Gedanke, nicht zuletzt auch für unsere Umwelt. Der EINSTIEG! Aber nachher: Es ist einfach unerklärlich, warum man Volk und Gemeinderat nicht begrüsst hat. Und warum man nicht das Gespräch gesucht hat mit jenen, die Fragen hatten. Bei einem 15-Millionen-Projekt kommt es doch in einer funktionierenden Demokratie niemandem in den Sinn, Volk und Legislative nicht mit einzubeziehen!

Fazit:
Jetzt braucht es einen Befreiungsschlag:
1. Alles transparent bis in jede Einzelheit offenlegen.
2. Die AG auflösen und durch einen Zusammenarbeitsvertrag mit Winterthur und dem Abwasserverband ersetzen.
3. Die Fernwärme als vierte Abteilung der Werkbetriebe führen (neben Strom, Wasser und Gas).
4. Um diese Ziele zu erreichen, muss der 5-Millionen-Kredit in der Volksabstimmung abgelehnt werden (das Nein-Komitee ist bereits gegründet). Es sei denn, der Stadtrat bringt eine neue Vorlage ohne AG. Die vom Gemeinderat verabschiedete Vorlage muss ohnehin neu beraten und korrigiert werden, weil sie auf einer rechtswidrigen Finanzierung beruht. (eb)

Herzlichen Dank fürs Gespräch
den beiden beharrlichen Volksvertretern, Stefan Geiges, Peter Hausammann!




Die Abstimmung findet im Herbst 2016 statt. Bis dann sind alle Fakten auf dem Tisch.

Wer sind die Aktionäre der Wärme Frauenfeld AG?
Das sind: Werkbetriebe der Stadt Frauenfeld, Abwasserverband, Stadtwerk Winterthur. Im Verwaltungsrat: Ernst Haas, Rudolf Huber, Urs Manser, Erich Peter, Ernst Rüsi, Stefan Treudler, Jürg Seemann (Präsident).

 

 

Fernwärme Frauenfeld: Wo liegt der Hund begraben?

 

 

Fernwärme Frauenfeld: Wo liegt der Hund begraben?