Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 27.09.2018

Einkaufen im Gebiet der Kelten

Schon die Helvetier fanden einst Gefallen am Langdorf

Kaum jemand ist sich der geschichtsträchtigen Vergangenheit des Grundstücks bewusst, auf dem heute der Discounter Lidl an der Langfeldstrasse im Frauenfelder Langdorf steht. Denn dort befand sich einst eine Grabstätte, in der vor über 2000 Jahren Kelten zur letzten Ruhe gebettet wurden.

 

 

Vielen ist bekannt, dass die Kelten – so nannte man die Helvetier, die in der Ostschweiz in den letzten 300 Jahren vor Christi Geburt gelebt hatten – auch in Frauenfeld Spuren hinterlassen haben. Wenige wissen aber, wo sich das damals vor über 2000 Jahren abgespielt hat. Urs Leuzinger, Leiter des Museums für Archäologie, schafft Klarheit und zeigt auf das Grundstück, auf dem heute der Discounter Lidl steht. «Dort hat man vier Kelten-Gräber gefunden – drei von Frauen und eines mit einem Kind.» Das Langdorf hat somit eine weit zurückreichende Vergangenheit, die dokumentiert ist.

Beim Kiesabbau entdeckt
Die Gräber im Langdorf waren um das Jahr 1908 beim Kiesabbau gefunden worden und enthielten Grab­beigaben, die ins Landesmuseum nach Zürich gebracht wurden. Diese Grabbeigaben sind aus Gold, Bronze, Bernstein und Glas – wobei Goldmünzen den Verstorbenen oftmals zwischen die Zähne geklemmt wurden und als Eintrittsgeld in die Unterwelt gedacht waren.
Der Transport ins Landesmuseum erfolgte damals, weil vor dem Jahr 1912 alle wichtigen Funde dorthin gelangten. «Seit dem Jahr 1996 sind diese Grabbeigaben aber als Dauerleihgabe bei uns im Museum für Archäologie in Frauenfeld ausgestellt», sagt Urs Leuzinger und seine Augen beginnen zu leuchten. Man spürt, welche Faszination die Geschichte der Kelten auf ihn ausübt.
Das Thema Kelten lädt einen Archäologen wie ihn geradezu ein, um Nachforschungen anzustellen und das Wissen zu erweitern. Denn die Geschichte der Kelten ist deutlich älter als jene der Ersterwähnung von Erchingen im Jahr 853, mit der die Geschichte der Ent­stehung der Stadt Frauenfeld erst viel später eröffnet wurde.

Gute Verkehrslage
Wie Urs Leuzinger weiss, liessen sich die Kelten in unserer Region einst wegen der guten Verkehrslage nieder. «Der gute Anschluss an die Verkehrswege – später wurde dort aus dem Weg direkt vor der Haustür ja die Römerstrasse – sowie die Nähe zum Bodenseeraum übten schon damals grosse Anziehungskraft aus». Die Kelten lebten von der Landwirtschaft und bauten einfache Häuser aus Holz, Lehm und Stroh. Leuzinger: «Erst als die Römer den Bodensee-Raum eroberten, kam auch die solide Bauweise mit Mauern in unsere Breitengrade und es wurden richtige Villen gebaut». Eine dieser Villen mit einem grossen Bad und einfachen Häusern für das Dienstpersonal stand damals in Oberkirch. Später wurde dort oben im 9. Jahrhundert mit der Kirche St. Laurentius das erste Gotteshaus in Frauenfeld erbaut.

Andreas Anderegg




Zwei Fundstellen
In Frauenfeld kamen neben den Gräbern im Landorf um das Jahr 1900 auch Gräber im Talbach in der Nähe des heutigen Alterszentrums Park zum Vorschein. In den letzten Jahren ist es allerdings eher ruhig, was Kelten-Funde betrifft. Urs Leuzinger hält diesbezüglich wenig von der Vermutung, wonach historisch wertvolle Entdeckungen bei Bauarbeiten gar nicht erst beim Amt für Archäologie gemeldet werden – aus Angst vor einem längerfristigen Baustopp: «Das ist ein Märchen. Wir haben in den letzten 40 Jahren keinen einzigen Baustopp verfügt. Wenn etwas entdeckt wird, so analysieren wir das und halten das bildlich fest. Das ist es dann aber auch schon.» (aa)