Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 20.03.2019

Symbol des alternativen Aufbruchs

Vor 40 Jahren fand sich eine Gruppe, zu der auch Katharina Portmann gehörte, zusammen, um eine alternative Genossenschaft zu gründen. Ein Jahr später, am 25. November 1980, konnte an der Metzgerstrasse die «Blaue Amsel» eröffnet werden. Vieles, was heute in Frauenfeld etabliert ist, hat dort seine Wurzeln.

 

 

Die «Blaue Amsel» beim Einlenker der Metzgerstrasse in die Bahnhofstrasse ist zwar längstens von der Bildfläche verschwunden, die Erinnerung an das erste alternative Lokal der Kantonshauptstadt freilich ist bei vielen noch in lebhafter Erinnerung. Ganz besonders bei Katharina Portmann (62), die das damals zusammen mit Gleichgesinnten zum Laufen gebracht hatte: «Wir machten einen Flohmarkt hinter der Kantonsbibliothek und gingen beim ‹Frauenfelder Frühling› auch auf die Strasse, um auf den Wunsch nach eigenen Räumen und die Anliegen der jungen Generation generell aufmerksam zu machen. Ähnlich wie es am letzten Freitag mit der Klima-Demo hier in Frauenfeld der Fall war», sagt die ehemalige Gastwirtin, die einst eine Ausbildung zur Kindergärtnerin absolviert hatte.

«Schleife-Marie»
Als Mitte November 1980 die legendäre Gastwirtin Marie Ammann, genannt «Schleife-Marie», das Restaurant «Schleife» aus Altersgründen aufgab, schlug die Stunde der noch jungen «Genossenschaft Blaue Amsel». Dank Entgegenkommen des Metzgermeisterverbandes Frauenfeld, der das benachbarte Schlachthaus betrieb und dem auch das Gasthaus beim Einlenker der Metzgerstrasse in die Bahnhofstrasse gehörte, konnten ein befristeter Mietvertrag abgeschlossen werden. Befristet deshalb, weil die Liegenschaften bereits an die Swisscom verkauft waren, die dort einen Neubau plante. Im Eiltempo wurde damals die «Schleife» umgebaut und das Lokal knapp zehn Tage später als «Blaue Amsel» wieder eröffnet.

Raum ohne Konsumationszwang
In dieser Genossenschaftsbeiz gab es keinen Chef, alle trugen gemeinsam die Verantwortung – «das war ein toller Erfolg und wir haben viele Lernprozesse durchgemacht», sagt Katharina Portmann und lehnt sich zurück. Bis zu 30 Personen arbeiteten damals im Rotationsprinzip mit im Lokal, dem ersten der «anderen» Szene in Frauenfeld.
In der «Blauen Amsel» waren alle Gäs-te gerne gesehen – auch jene, die nichts konsumieren wollten. Für sie gab es gleich nach dem Eingang auf der rechten Seite einen Raum ohne Konsumationszwang. «So gesehen waren wir damals eine Art Gratis-Jugendhaus für die Stadt», fasst Katharina Portmann rückblickend zusammen.
Letztmals geöffnet war die «Blaue Amsel» am 4. Dezember 1983, danach wurde das Gebäude abgebrochen. Die Auflösung der Genossenschaft wurde an der GV am 4. August 1984 beschlossen.

Eisenwerk, Dreiegg, CH
Vieles, was heute zum Alltag gehört in der Stadt, hat seine – zumindest ideellen – Wurzeln in der «Blauen Amsel». Dazu gehört die Genossenschaft Eisenwerk, das «Dreiegg» und auch die linksgrün orientierte Gruppierung Chrampfe & Hirne (CH), die seit 1983 im Gemeinderat vertreten ist. Daneben gibt es weitere Bezüge zur Gegenwart – wie eben die Klima-Demo vom vergangenen Freitag oder das Kulturlokal KAFF, das ebenfalls auf die junge Generation ausgerichtet ist.

Andreas Anderegg