Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 15.01.2020

Ein Museum als Geschenk an die Bevölkerung

60 Jahre Historisches Museum Thurgau

Das Schloss Frauenfeld ist seit Jahrhunderten das prägnante Wahrzeichen der Stadt. Seit 60 Jahren beherbergt es das Historische Museum des Kantons Thurgau. Dieser Umstand ist einer wenig bekannten Frau zu verdanken: Marie Bachmann, der letzten privaten Besitzerin von Schloss Frauenfeld. Sie vermachte dem Kanton das Anwesen und einen Grossteil der Familiensammlung. Dem Leben der Schenkerin geht das wissenschaftliche Team des Museums zurzeit auf den Grund.

 

 

Spätestens im Jahr 1948 erfuhr der Regierungsrat des Kantons Thurgau von einem grosszügigen Geschenk: Das Schloss Frauenfeld, das seit dem 19. Jahrhundert der Familie Bachmann gehörte, sollte unentgeltlich in kantonalen Besitz übergehen – unter der Bedingung, dass darin ein historisches Museum eingerichtet wurde. So lautete der Wunsch der letzten Besitzerin des Schlosses, Marie Bachmann (1879–1955). Ihr Grossvater, der Oberrichter Johann Jakob Bachmann aus Stettfurt, hatte das Schloss im Jahr 1867 dem Kanton abgekauft und damit vor dem Abriss bewahrt – die Hypothekarbank wollte an dessen Stelle ein modernes Bankgebäude errichten.

Wertvolles Erbe
Bereits der Sohn des Käufers – Marie Bachmanns Vater – hatte ursprünglich Grosses mit der Liegenschaft vor. Er verfolgte Pläne, das Schloss als Baudenkmal zu schützen und das Areal der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zur Umsetzung kam es zwar nicht, jedoch hielt er in seinem Testament fest, dass seine Nachkommen das Schloss zu einem «billigen Preise» als öffentliches Gebäude verkaufen können. Marie Bachmann erfüllte schliesslich den Willen ihres Vaters, ging aber noch darüber hinaus, indem sie die Schenkung an den Kanton mit der Forderung nach einem Museum im Schloss verband. Daneben vermachte sie dem Kanton 50 000 Franken für die Renovation sowie über 800 Objekte aus der Familiensammlung, darunter Geschirr, Mobiliar, Waffen, Fotos, Bücher, eine wertvolle Tapetenmalerei, Reisesouvenirs und auch kostbare bemalte Glasscheiben aus dem 16. Jahrhundert. Dieses Erbe bildete einen Grundstock der Sammlung des Historischen Museums Thurgau, das schliesslich 1960 seine Tore öffnete.

Biografisches liegt im Dunkeln
Wer die Frau war, die die Öffentlichkeit so reich beschenkte, ist heute schwierig nachzuvollziehen. «Die Quellen zeichnen ein facettenreiches Bild», verrät Kurator Dominik Streiff Schnetzer – zum einen pflegte Marie Bachmann einen zurückgezogenen, protestantisch geprägten Lebensstil, zum anderen schien sie über ein gewisses Standesbewusstsein zu verfügen. So hat sie etwa die Mieten der verschiedenen Mietparteien im Schloss persönlich eingezogen. Als Kind hatte Marie selbst noch im Schloss gewohnt, als Erwachsene pendelte sie zwischen Stettfurt und Zürich. Das Historische Museum Thurgau hat in den letzten Monaten die Bemühungen verstärkt, mehr über die Frau herauszufinden, die für die Geschichte der Institution und der Stadt so bedeutsam war.

Fokus auf Frauengeschichte
Diese Bestrebungen spiegeln auch die grundsätzlichen Entwicklungen des Museums wider, vermehrt einen Fokus auf die Geschichte der Frauen zu legen. Seit das Historische Museum Thurgau vor 60 Jahren eröffnet wurde, hat sich die Welt geändert – und damit auch die Art und Weise, wie Geschichte vermittelt wird: «Während früher sogenannte Period Rooms vermeintlich authentisch zeigen sollten, wie die Menschen lebten, setzt man heute auf einen erzählerischen Ansatz, um historische Ereignisse nahbar zu machen», sagt Dominik Streiff Schnetzer dazu. Es sei ihm wichtig, die lokale Geschichte in einen grösseren Zusammenhang einzubetten, wie etwa in der Sonderausstellung «Schreck & Schraube» (2018), die die internationalen Verstrickungen der Thurgauer Industrie anschaulich machte. Die Sonderausstellungen sind eine weitere Neuerung im musealen Betrieb.

Geschichte auf 870 Quadratmetern
Seit 2012 nutzt das Historische Museum Thurgau als Provisorium das Alte Zeughaus Frauenfeld, um thematische Schwerpunkte zu beleuchten. Daneben besteht im Schloss die Schlossausstellung zum Spätmittelalter, die 2015 neu inszeniert wurde. Auf rund 870 Quadratmetern bewegen sich die Besucherinnen und Besucher durch die Jahrhunderte – und das ganz wörtlich, denn die Burgmauern stammen aus dem Jahr 1230 und sind eine stimmungsvolle Kulisse für die Zeitreise. Ermöglicht wurde sie durch Marie Bachmann.

Miriam Waldvogel

 

 

Ein Museum als Geschenk an die Bevölkerung

 

 

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