Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 18.03.2020

Ein Geisterspiel sorgt doch für unheimlich viel Lärm

Das Corona-Virus sorgt dafür, dass das Handball-Aufstiegsspiel 1. Liga/NLB zwischen Frauenfeld und Pfader Neuhausen (27:25) unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden musste. Ein Augenschein.

 

 

Die Festhalle Rüegerholz liegt an diesem Abend mehrheitlich im Dunkeln. Ich sehe allerdings, dass Drinnen das Licht brennt und je näher ich komme, höre ich auch Stimmen. Aber die Eingangstüre zur Halle ist verschlossen. An der Wand hängt ein Merkblatt, warum die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat. Gut, dass ich bereits am Nachmittag mit Sportchef Christian Hug telefoniert habe. Pünktlich um 20.15 Uhr öffnet er mir die Türe. Wir begrüssen uns nicht mit Handschlag. Nach dem Eintreten trage ich mich in die vorliegende Liste ein.
Warum geht der SC Frauenfeld so rigoros vor? Hug hält fest: «Entweder machen wir es richtig, oder wir lassen es bleiben. Wir setzen nur die Vorgaben um. Gibt es ausgerechnet wegen unserem Fehlverhalten einen positiven Corona-Fall, dann können wir den Verein dicht machen». Präsident Marcel Geeler hat während fast zwei Tagen nur telefoniert, damit diese Partie unter diesen Umständen überhaupt ausgetragen werden durfte. Als der Match schon läuft, steht er vor der Halle und meldet sich per Handy bei Hug. Der «Türsteher» lässt ihn eintreten.

Nur ein einsamer Stuhl
Die Spieler des SC Frauenfeld und von Pfader Neuhausen sind beim Einlaufen. Der Zeitnehmertisch ist wie immer besetzt, aber der Speaker sagt den ganzen Abend nichts. Dann laufen die Mannschaften in einer Reihe zur Spielfeld-mitte und grüssen Richtung Zuschauer. Doch niemand ist da. Ein einsamer Stuhl steht gegenüber der Spielerbank mitten in der Halle. Überraschenderweise klatschen sich die Spieler bei der Begrüssung ab. Sie tun das auch nach dem Schlusspfiff wieder. Warum? Händeschütteln ist ja nicht mehr angesagt. Darauf angesprochen runzelt Christian Hug die Stirn: «Du hast recht. Darüber müssen wir sprechen».
Der Match beginnt und die Pfader kennen das, sie haben bereits einen Auftritt ohne Zuschauer daheim absolviert. Für den SCF ist das Neuland. Wie immer wird auf dem Feld von beiden Seiten viel gesprochen und die Trainer geben lautstark ihre Anweisungen. Weil Viele durcheinander schreien, ist der Lärmpegel hoch. In der leeren Rüegerholz-Halle überschlägt sich das Echo gleich Dutzendfach. Man versteht nichts.

Zweimal mitten ins Gesicht
Nach 15 Minuten führt Frauenfeld 7:6. Nach 24 Minuten lautet das Ergebnis 11:9 und es ist ein Siebenmeter gegen die Einheimischen fällig. Der Neuhauser knallt den Ball mitten ins Gesicht von Keeper Kaj Stokholm. Die Aufregung ist gross. Weil es bereits das zweite solche Vergehen des gleichen Akteurs ist, erhält dieser die direkte rote Karte. Frauenfeld kommt etwas aus dem Rhythmus und der Gast geht in Führung. SCF-Trainer Urs Schärer lässt ohne Torhüter mit einem Feldspieler mehr agieren, das geht schief. Zur Pause steht es 14:15.
Dasselbe Experiment funktioniert gleich nach dem Tee ebenfalls nicht: 14:16. Die Begegnung ist weiter hart umkämpft mit vielen gelben Karten und ebenso vielen Zwei-Minuten-Strafen. In der 39. Minute folgen gar drei innert Kürze gegen den SCF. Und ein weiterer Siebenmeter. Wieder pariert Teufelskerl Stokholm (er hält insgesamt sogar fünf Strafstösse), es bleibt beim 17:19. Frauenfeld wird dominanter und verkürzt nicht nur, sondern geht beim 21:20 endlich wieder in Führung. Wohl aus lauter Freude wird am Zeitnehmertisch ein falscher Schalter gedrückt, statt der 21 steht auf der Anzeigetafel für einen Moment gar nichts.

«Sind noch dabei»
Nun lassen sich die konzentrierter auftretenden Frauenfelder die Butter nicht mehr vom Brot nehmen. Allerdings bleibt das Ergebnis weiterhin äusserst knapp. Erst recht, als 109 Sekunden vor Schluss beim Stand von 26:24 ein Frauenfelder nach der dritten Zwei-Minuten-Strafe die rote Karte sieht.
Zum Glück hält sich der Schaden in Grenzen und Frauenfeld schlägt die Pfader Neuhausen trotzdem mit 27:25. SCF-Routinier Flavio Müller stellt trocken fest: «Wir sind im Aufstiegsrennen noch mit dabei. Bei einer Niederlage hätten wir zusammenpacken können».
Es war ein interessanter und spannender Match. Es ist zwar surreal, für mich war es trotzdem ein Privileg, an einem sogenannten Geisterspiel als einziger Zuschauer dabei sein zu dürfen.

Ruedi Stettler




Alle Spiele abgesagt
Vor dem Corona-Virus hat auch der Handball-Verband kapituliert. Alle Spiele sämtlicher Ligen wurden abgesagt. So etwas wie Ironie des Schicksals ist, dass der Bundesrat die verschärften Massnahmen ausgerechnet an einem Freitag, dem 13. bekannt gab. (rs)

 

 

Ein Geisterspiel sorgt doch für unheimlich viel Lärm

 

 

Ein Geisterspiel sorgt doch für unheimlich viel Lärm