Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 14.10.2020

Mir fiel kein Zacken aus der Corona

Auch die Schweiz ist eine Veloreise wert

Genügend Abstand halten, die Hände waschen und gelegentlich Maske tragen: So – unter diesen Vorzeichen – darf man sich ohne grosse Bedenken auf eine Veloreise durch viele Schweizer Kantone begeben, in vielen Restaurants essen und in vielen Hotels wohnen.

 

 

Ich kam ungeschoren davon, blieb coronafrei trotz längerem Aufenthalt
in der Waadt (zurzeit ist es überall kritisch). Vorsicht und gesunder Menschenverstand sind nötig, und die Devise gilt: «Alter, schütz dich selbst!»

Vier Spiegeleier
Die Reise führte ab Frauenfeld nach Arbon, Chur, Sargans, Walensee, Zürichsee, der Limmat entlang nach Baden, dann der Aare folgend über Aarau, Olten und Solothurn nach Biel, Neuchâtel, Concise, Lausanne, Vevey, Martigny, Sion, ab dort zurück im Zug – und dauerte rund zwei Monate (vom 16. Juli bis 23. September). Was? So lange Zeit für diese Kleinigkeit von Strecke, die über den Daumen gepeilt etwa 400 Kilometer beträgt? Erklärung: In Chur blieb ich im Hotel Rosenhügel für rund drei Wochen hängen, mit
Fr. 50.– günstiges, blitzsauberes Zimmer mit Dusche, WC und Frühstück, ebenso zwei Wochen in Freienbach am Zürichsee: Auch dort tolles Zimmer im Hotel «Sonne» und mega fantastisches gutbürgerliches Essen, also z. B. vier Spiegeleier, selbstgemachte Rösti und Gemüse à gogo. Diesen Drago, den Wirt aus Slowenien, werde ich nächsthin im Rahmen einer Tagestour wieder besuchen, um des Essens willen.

Fünfstromland Schweiz
Eine Radtour durch die Schweiz zu unternehmen, bedeutet, dass man smaragdgrünen Flüssen folgt: Limmat, Reuss, Aare, Hochrhein; schiefergrau die Farbe des jungen Rheins und der Rhône. Erst auf einer Velotour entdeckt man die grandiose, unvergleichliche Schönheit des Flussparadieses Schweiz! Das Zweistromland ist in Persien, das Fünfstromland liegt in der Schweiz. Kein Land der Welt weist auf engstem Raum eine derartige Dichte von wunderschönen Flüssen auf, die selbst in Agglomerationen (Limmat) Charme und Cachet und verträumte Ufer aufweisen und die so sauber sind, dass man überall darin schwimmen kann. Ganz Europa beneidet uns um diese Schönheit.

Abgründe taten sich auf
Aber man ahnt es: Velofahren und Schwimmen füllen zwei Monate nicht aus. In Chur wanderte ich während rund drei Wochen kreuz und quer durchs Schanfigg (Richtung Arosa) und durch die Gegend rund um Pizokel-Chur-walden-Parpan-Dreibündenstein. Am Zürichsee faszinierte mich der Etzel, den ich von verschiedensten Seiten rund elf Mal bestieg; morgens und abends jeweils ein Bad im See. Am Jura entdeckte ich die Schönheit des Weissensteins – es hat dort zwar während drei Tagen heftig geregnet – nichtsdestotrotz erwanderte ich die gesunden Wälder und staunte über die gewaltigen Felsen, Abgründe und Schrunden, die dieses Gebirge aufweist. Im Jura kann man tief fallen.
Wer weiss, wie lange Corona uns beschäftigen wird und wie lange wir auf Reisen in alle erdenklichen, abgelegenen Ecken der Welt verzichten müssen? Da bietet sich unser Land für Ferien auf unnachahmlich bescheidene Art an und enthüllt nach und nach seine ganze Pracht und Vielfalt – bei näherem Hinsehen und Erleben. Viele kennen den Ayers Rock besser als den Berg vor der Haustür. Letzterer könnte ein unerwartetes Aha-Erlebnis bieten.

Eugen Benz