Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 21.10.2020

Schweinerei oder Sauwohl?

Beim Massnahmenzentrum Kalchrain leben seit über zwei Jahren Freilandschweine. Damit soll spätestens Ende Jahr Schluss sein, der Kanton stellt die nötige Bewilligung nicht aus. Dagegen regt sich Widerstand. Unter anderem in Form einer Petition von Patrick Siegenthaler aus Herdern.

 

 

Mehr als zwei Jahre lang schon hält das Massnahmenzentrum Kalchrain Freilandschweine. Auf ihren Wiesen oberhalb des ehemaligen Klosters haben die Schweine zeltähnliche Unterkünfte, wo sie Wasser, Futter sowie Schutz vor Wind und Sonne finden. Bis sie geschlachtet werden, leben sie draussen und können ihrer liebsten Beschäftigung nachgehen: dem Wühlen in der Erde, sodass die Wiese nach einer gewissen Zeit komplett umgepflügt ist. Das ist der Grund, warum die Herde alle paar Monate mitsamt Unterkünften auf eine neue Wiese umgesiedelt wird. Bald sollen sie aber nicht einfach nur umziehen, sondern ganz verschwinden.

Keine Bewilligung erteilt
Der Grund, warum die Freilandschweine verschwinden sollen, wirkt auf den ersten Blick kurios. Weil die Unterkünfte nicht dauerhaft im Boden verankert sind, ging man beim Massnahmenzentrum davon aus, dass keine Baubewilligung notwendig sei. Das sieht das kantonale Amt für Raumentwicklung anders. Eine nachträglich beantragte Bewilligung wurde dann aber nur befristet bis Ende 2020 erteilt. Begründung: Den Kanton stören die Zelte, weil sie sich wegen Form, Farbe und Material nicht ausreichend in das Landschaftsbild einfügen.

Ausserdem entsprächen sie nicht dem Baustil von im Thurgau üblichen, traditionellen landwirtschaftlichen Bauten. Dieser Entscheid führte zu diversen Reaktionen, beispielsweise zu Leserbriefen (FW vom 14. Oktober). Vom «Amtsschimmel, der wiehert» kann gesprochen werden, oder wie in diesem Fall wohl passender: Vom «Amtsschwein, das grunzt».

Petition lanciert
Eine weitere Reaktion hat die Form der Petition «für das Sauwohl im Thurgau». Lanciert wurde sie von Patrick Siegenthaler aus Herdern. Der Bezirkspräsident der CVP Bezirk Frauenfeld schreibt im Petitionstext, ob es sein kann, «dass in dieser Situation das Landschaftsbild mehr Gewicht erhält als das Tierwohl? Ich finde absolut nicht! Deswegen setze ich mich mit zahlreichen weiteren Joggern, Wanderern, Spaziergängern dafür ein, dass die Schweine weiterhin artgerecht ob Kalchrain leben dürfen und dass für die Unterstände eine Bewilligung erteilt wird.»

Kein Augenmass
Patrick Siegenthaler sagt auf Anfrage, er habe von der Sache erfahren und wollte unter anderem wissen, ob nur er sich an diesem Entscheid störe. Darum habe er sich für eine Petition entschieden. «Die Schweine leben in Gehdistanz zu uns und wenn wir mit den Kindern auf den Sinnespfad gehen oder einfach einen Spaziergang machen, ist ein Besuch bei den Schweinen immer ein Highlight», sagt er weiter. Er ist klar der Meinung, dass der Entscheid des Amts für Raumentwicklung nichts mit Augenmass zu tun hat und es keine tierfreundlichere Haltung für Schweine geben könne, als diese.

Rasanter Start
Ursprünglich wollte Patrick Siegenthaler die Petition bis Anfang Dezember laufen lassen. «1000 Unterschriften waren zu Beginn das Ziel», sagt er. Dieses war bereits am zweiten Tag erreicht, weshalb er das Unterschriftenziel erst auf 1500, und kurz darauf sogar auf 2000 erhöhte. Stand Dienstag, 16 Uhr, waren es bereits 1713 Unterschriften. «Ich bin überwältigt vom Tempo. Auch von den über 750 Kommentaren, die zusätzlich abgegeben wurden. Das ist beeindruckend und zeigt die grosse Unzufriedenheit mit diesem Entscheid», so Siegenthaler.

Bewilligung soll ausgestellt werden
Sobald die 2000 Unterschriften erreicht sind, will Siegenthaler mit der Petition an den Regierungsrat herantreten. Ihm sei bewusst, dass die Raumplanung ein kompliziertes und schwieriges Gebiet sei. «Aber ich hoffe auf Gespräche und auf eine doch mögliche Bewilligung für die Rundzelte.» Denn die vorbildliche und vielfach gerühmte Art der Tierhaltung solle gefördert und nicht mit fadenscheinigen Begründungen verhindert werden. «Ein naturnahes Haltungssystem für Schweine muss im Thurgau Zukunft haben. Die Tiere sollen draussen leben dürfen, sich frei bewegen und mit ihrer Nase die Felder umgraben können, statt auf dem Betonboden in Ställen in den eigenen Fäkalien herumzurutschen», sagt Patrick Siegenthaler mit Überzeugung.

Michael Anderegg

 

 

Schweinerei oder Sauwohl?

 

 

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