Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 28.10.2020

Zeit als Währung bei der Nachbarschaftshilfe

Gemeinsames Projekt von Thundorf und Stettfurt mündet in neuem Verein

Die Gemeinden Thundorf und Stettfurt arbeiten in Sachen Nachbarschaftshilfe zusammen. Am letzten Freitagabend hat man den Verein «Ziit geh – Ziit neh» gegründet. Dabei soll unter den Mitgliedern vor allem ein Gut ausgetauscht werden – Zeit.

 

 

Selten wurde das Wort Nachbarschaftshilfe so oft verwendet wie in diesem Jahr. In Zeiten von Corona waren mehr Menschen auf die Hilfe von Verwandten, aber auch von Nachbarschaft und Dorf angewiesen, als je zuvor. «Die Gründung des Vereins trifft den Nerv der Zeit genau», sagte Stettfurts Gemeindepräsident Markus Bürgi in seiner Begrüssung am Freitagabend im Thundorfer Gemeindesaal. Die Pandemie habe eindrücklich aufgezeigt, wie wichtig eine Nachbarschaftshilfe sei. Im Frühling habe man diese aus dem Boden «gestampft». Weil es sich dabei aber auch um einen wachsenden Teil der Altersvorsorge handle, mache man nun Nägel mit Köpfen.

Ein Freudentag
Stettfurt war ab 2015 eine von vier Pilotgemeinden im Projekt der Regio Frauenfeld «Umsorgt älter werden». Daraus entstand, gemeinsam mit den Nachbarn aus Thundorf, eine Projektgruppe und aus diesem nun der neue Verein, wie der Stettfurter Gemeinderat Ueli Bachofen sagte. «Trotz der Corona-Situation ist heute für mich ein Freudentag», sagte er stolz. Der neu gegründete Verein – alle Anträge und Wahlvorschläge wurden von den 31 anwesenden Stimmberechtigten einstimmig gutgeheissen – soll eine wichtige Funktion übernehmen. «Er soll das Miteinander heute und morgen sowie ein lebendiges Zusammenleben in den Gemeinden fördern. Ausserdem soll der Austausch zwischen Generationen angeregt und das eigenständige und selbstständige Leben gefördert und ermöglicht werden», sagte Ueli Bachofen dazu.

Zeitgutschriften
Mit einem Jahresbeitrag von 30 Franken für Einzelpersonen und 50 Franken für Familien, wurde die Beitrittsschwelle bewusst tief gehalten. Das Prinzip des Vereins ist denkbar einfach. Jedes Mitglied erhält ein Zeitkonto. Nimmt man einen Dienst in Anspruch, so wird Zeit abgezogen, leistet man einen Dienst, wird die Zeit gutgeschrieben. Möglich sind maximal sechs Stunden pro Woche. «Es funktioniert nach dem Motto Leistung und Gegenleistung», erklärte Ueli Bachofen. Finanziell abgegolten wird nichts.

Keine Konkurrenz
Mit Nachbarschaftsdiensten sind Dinge wie Einkaufen oder Spazieren gehen, Vorlesen, Kaffee trinken und reden, Tierpflege oder kleinere Dinge in Sachen Haus- und Gartenarbeit gemeint. Es gebe aber eine Grenze zu ziehen. «Einen kleinen Pfad jäten ist in Ordnung. Einen Baum zu fällen geht klar zu weit. Wir wollen nicht Dienstleister oder die Spitex konkurrieren, sondern diese Dienste ergänzen», so Bachofen.

Geben und Nehmen
Der neue Verein mit dem Namen «Ziit geh – Ziit neh» wird von den beiden Gemeinden während einer Pilotphase bis Ende 2024 finanziell unterstützt. Danach soll er dank Mitgliederbeiträgen, Sponsoren, Kollektivbeiträgen und Spenden selbsttragend sein. Der Verein richtet sich nicht nur an Senioren, sondern auch an Jüngere, die sich in einer Notsituation befinden - beispielsweise einen Unfall hatten. Zudem ist Bachofen, der sich als junger Senior bezeichnete, überzeugt, dass es viele Junge gebe, die zu geben haben.

Kleiner Vorstand
In den Vorstand des Vereins wurden Marita Brune-Koch (Stettfurt) und Hedi Kruschitz (Thundorf) als Co-Präsidentinnen sowie Jovita Cavegn (Thundorf) als Kassierin gewählt. Dazu gesellen sich Heidi Sauder und Elsbeth Link als Revisoren. Standortkoordinatorinnen sind in Stettfurt Mägi Otto und Manuela
Aeberhard in Thundorf. 


Michael Anderegg


www.ziitgeh-ziitneh.ch