Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 02.06.2021

Ethik spielt im Spital eine zentrale Rolle

Sie beeinflusst die moralischen Wertvorstellungen in jeglichen Handlungen

Gerade in den medizinischen und pflegerischen Berufen ist Ethik ein wichtiges Thema. Markus Aeschlimann ist Spital-Seelsorger und Leiter des Ethikforums am Kantonsspital Frauenfeld (KSF) und sagt, dass Ethik bei jeder Entscheidungsfindung eine Rolle spielt und dass sie gelernt werden kann.

 

 

Ethik ist ein Teilgebiet der Philosophie, das sich mit dem richtigen menschlichen Handeln befasst und dieses kritisch beurteilt. Hinter getroffenen Entscheidungen stehen eigene Wertvorstellungen, die ihre Verankerung in der inneren Gesinnung des Menschen haben. «Im Grunde geht es darum, das Leben durch richtige, rational reflektierte Entscheide besser zu machen. Das sollte zumindest das Ziel sein», erklärt Markus Aeschlimann, Leiter des Ethikforums am Kantonsspital Frauenfeld. Darum ist Ethik auch im Kantonsspital Frauenfeld ein wichtiges Thema. In der täglichen Krankenhausarbeit hat Ethik beispielsweise Einfluss auf die Art, wie ein Patient angesprochen wird, wie man ihn anfasst und behandelt, wie man mit ihm umgeht und ihn auf seinem Weg begleitet. Klar ist: Die Menschenwürde ist unantastbar, unverlierbar, steht über allem und sie steht auch jedem und jeder zu.

Lernen in der Ausbildung
Ethik ist bereits in der Ausbildung zu medizinischen und pflegerischen
Berufen ein wichtiges Thema. «Ethisches Verhalten kann man grundsätzlich lernen. Eine gewisse Voreignung der eigenen Persönlichkeit in Sachen Empathie und Feingefühl ist für diese Berufe aber sicherlich notwendig», sagt Markus Aeschlimann. Denn Ethik spiele in praktisch allen Bereichen des Spitalalltags eine relevante Rolle. Man spricht von Medizinethik, die vier Werte umfasst: Respekt vor der Autonomie des Patienten, Gutes-tun, Schadensvermeidung und Gerechtigkeit (Kasten). Nach diesen vier Prinzipien soll in jedem Fall gehandelt werden. «Wichtig für die eigene Entwicklung ist die Reflexion», sagt Markus Aeschlimann. In individuellen Situationen können durch eine ethische Fallbesprechung die Werte, die eine Rolle spielen, bewusst gemacht und in die Handlungsmöglichkeiten einbezogen werden. Wiederkehrende Fragestellungen können in Leitlinien grundsätzlich ethisch durchdacht werden.

Patientenverfügung eine Hilfe
Seine eigene Autonomie auch in Notsituationen zu wahren, dazu hilft eine Patientenverfügung. Denn diese tritt in Kraft, wenn man selbst nicht mehr entscheiden kann. Sie ist sowohl für einen selbst, die Angehörigen, als auch für die behandelnden Personen wichtig. Denn durch sie können wichtige, medizinische Entscheide im eigenen Sinne gefällt werden. Dies kann auch für die Angehörigen eine Hilfe sein. Wichtig ist aber: «Eine Patientenverfügung ausfüllen, ist ein schwieriger Prozess in dem Sinn, dass man sich mit allfälliger persönlicher Lebensbedrohung auseinandersetzen muss. Sie sollte mit den Liebsten besprochen werden, damit diese aus dem Gespräch direkt wissen, wie die Bestimmungen gemeint sind. Damit kann möglichen Missverständnissen oder Konflikten vorgebeugt werden», empfiehlt Markus Aeschlimann. Die Patientenverfügung kann im Kantonsspital Frauenfeld hinterlegt werden. Es ist kein Dokument, das notariell beglaubigt werden muss, eine Unterschrift reicht. «Es ist aber angebracht, die Verfügung alle paar Jahre wieder durchzusehen und neu zu datieren. Denn die Umstände oder Ansichten können sich verändern. Beispielsweise durch eine schwere Krankheit», erklärt Markus Aeschlimann.

Michael Anderegg


Das KSF-Ethikforum
Das am Kantonsspital Frauenfeld bestehende Ethikforum besteht derzeit aus zwölf Personen (max. 15 Personen). Das ethische Reflexionsgefäss wird von Markus Aeschlimann geleitet. Das Gremium kommt mindestens vier Mal im Jahr zusammen. Die Mitglieder kommen aus den unterschiedlichsten Sparten und Hierarchiestufen des Spitals. Als «Sensoren der Stationen» bringen sie ethische Fragen und Probleme von der Quelle der Spitalarbeit mit. Im Forum werden diese diskutiert. Aus dieser ethischen Reflexion können dann zum Beispiel interne Weiterbildungen aufgegleist, Fallbesprechungen angeboten oder ethische Positionspapiere erarbeitet werden.
(mra)

Die vier medizinethischen Werte
Die vier Grundsätze der Medizinethik lassen sich anhand der aktuellen Corona-Impfungen sehr gut darstellen.
1. Autonomie des Patienten: Jeder/jede soll die Wahl haben, sich impfen zu lassen oder nicht. Im KSF besteht daher keine Impfpflicht, sondern eine Impfempfehlung
2. Gutes-tun/Fürsorge: Man gibt einer Person die Möglichkeit, sich impfen zu lassen und sich dadurch zu schützen.
3. Schadensvermeidung: Man soll dem Patienten keinen Schaden zufügen. Der Impfstoffhersteller soll ein Mittel herstellen, das schützt, und das Spitalpersonal soll die Impfung dann sachgemäss ausführen und z.B. auf allfällige allergische Reaktionen achten.
4. Gerechtigkeit: Der Impfstoff sollte allen Menschen zugänglich gemacht werden. Bei Ressourcenknappheit muss eine ethisch reflektierte Triage vorgenommen werden, sprich erst Risikogruppen, dann Personal an Arbeitsstellen mit hohem Ansteckungsrisiko und so weiter…
(mra)