Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 23.03.2023

Küng und sein Team leisteten Unglaubliches

Nach 32 Eishockey-Runden und nur 31 Punkten war Frauenfeld klar Letzter in der MyHockey League. Dann gewann der Aufsteiger in den Abstiegs-Playouts fünf von sechs Partien und rettete sich souverän. Dafür verdient Trainer Andreas Küng und seine Mannschaft ein dickes Lob.

 

 

Wieso wurde ein solches Eishockey-Wunder überhaupt möglich? Headcoach Andreas Küng schmunzelt: «Das ist doch gerade das schöne am Sport. Aber ehrlich, ich bin jetzt so lange dabei, aber so etwas habe ich auch noch nicht erlebt. Das war ein riesiger Lehrplätz für mich als Trainer». Küng hat als Spieler 652 NLB-Partien für Zug, Langenthal, Biel, Olten und HC Thurgau absolviert, dazu noch deren 100 in der NLA für Biel, Zug und Rapperswil.
Der bald 40-Jährige sagt von sich: «Ich bin sehr ehrgeizig». Aber wie war es möglich, dass man als abgeschlagenes Schlusslicht noch eine solche Aufholjagd hinlegen kann? «Nach dem Cup-Out im Januar gegen das unterklassige Wil habe ich mit den Verantwortlichen bei einem klärenden Gespräch verlangt, dass nur noch Akteure in der Kabine sind, welche ich bis am Schluss der Meisterschaft zur Verfügung habe. Und als endlich auch alle Langzeitverletzten zurück waren, harmonierte das Team prächtig. Wir hatten plötzlich zwei Top-Linien, die abschlussstark waren. Unser Boxplay war eigentlich von Saisonbeginn weg sackstark.».

Geduld zahlte sich aus
Frauenfeld ergatterte in den letzten elf Spielen 25 Punkte. Das mitgefährdete Dübendorf aber nur noch deren neun. Küng erzählt strahlend: «Der Teamspirit war trotz den vielen oft sehr knappen Ergebnissen (Sechsmal mit 2:3 verloren und zweimal 1:2) immer voll da. Sensationell wie sich Captain Oskar Lattner und die übrigen Leader stets präsentierten. Unsere Geduld hat sich zum Glück am Schluss ausbezahlt».
Der EHCF hat auch fünfmal 3:2 gewonnen, gegen Franches-Montagnes, Huttwil, Chur (sogar zweimal) und Bülach. Das krasseste Erlebnis für den EHCF war wohl das 1:4 daheim gegen Seewen. Nicht wegen dem Resultat, sondern, dass es nach lediglich 38 Sekunden 0:2 lautete.

Was war der grosse Auslöser?
Nach der 32 Partien umfassenden Qualifikation war der EHCF mit nur 31 Punkten deutlich Letzter. Auch weil trotz unheimlichem Aufwand bloss 64 Treffer gelangen. In den Abstiegs-Playoffs schafften die Thurgauer in sechs Durchgängen, fünfmal gewannen sie, ein Torverhältnis von 33:19. Wieso war da plötzlich der Knopf im Abschluss buchstäblich geplatzt?
Küng hat dafür eine logische Erklärung: «Begonnen haben wir in einer höheren Liga mit einer fast vollständig neuen Mannschaft. Dann fielen sofort die drei neu engagierten Skorer Tom Gerber, Kent Daneel und Claude Schnetzer sowie Keeper Tim Baumann lange verletzt aus. Da wussten wir, nur mit enormem Kampfgeist und sehr defensivem Agieren, können wir vielleicht mithalten. Das gelang auch, dank einem starken Keeper Daniel Styger. Bei den oft knappen Ergebnissen fehlte uns als Neuling wirklich auch immer das nötige Quentchen Glück.» Ja, und dann in der Endphase der Meisterschaft, war das Team endlich die erhoffte Einheit und reüssierte: «Von da an lief es wie geschmiert».
Mit Jan Zwissler vom EHC Winterthur kam sehr spät noch ein weiteres Mosaiksteinchen dazu. Küng kennt ihn schon lange sehr gut: «Er ist ein nervenstarker Vollstrecker, das hat er mit sechs Toren in sechs Begegnungen eindrücklich unterstrichen. Er ist wohl auch der schnellste Stürmer der gesamten Liga».

Sogar vor dem Mitaufsteiger
In der Endabrechnung (Qualifikation und Abstiegsrunde) ergatterte Bülach nach insgesamt 38 Runden 52 Zähler. Dahinter folgt bereits Frauenfeld mit 46 (Torverhältnis -10), noch vor dem punktgleichen Mitaufsteiger Franches-Montagnes (-28) und dem doch eher überraschenden Absteiger Dübendorf mit 40 Zählern.
Das Verbleiben in der MyHockey League ist angesichts der anfänglich unzähligen Niederlagen fast ein wenig kitschig. Genau wie der Schlusspunkt gegen Dübendorf. Da traf doch tatsächlich der nach acht Saisons bei Frauenfeld nun zurücktretende Fabian Schumann 44 Sekunden vor der allerletzten Sirene zum entscheidenden 6:3. 

Ruedi Stettler

«Momentan brauche ich eine Pause»
Eigentlich hat Andreas Küng, der beim EHC Frauenfeld auch für den Nachwuchs zuständig war, einen weiter laufenden Vertrag. Doch nach diesem grandiosen Exploit gibt er zu, im Kopf schon etwas leer zu sein: «Diese strube Saison hat unglaublich viel Kraft gekostet. Ich habe immer 140 Prozent gegeben und brauche zumindest vorläufig eine Pause». Das Sommer-Training beginnt anfangs Mai.
Küng gewann als Spieler 2001 mit dem Schweizer U18-Nationalteam in Helsinki WM-Silber und war danach satte 14 Jahre als Profi tätig. Zuletzt beim HC Thurgau. 

(rs)