Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 05.04.2023

Zecken beissen nicht, sie stechen

Bald ist wieder Zecken-Zeit – mit Respekt, aber ohne übertriebene Angst

Zecken haben es gerne mild und feucht und ausser im Gebirge ist praktisch die ganze Schweiz von ihnen bevölkert. Die Spinnentiere sind zäh und können eine Vielzahl an Infektionskrankheiten auf den Menschen übertragen. Zu den Bedeutendsten gehört die Borreliose, die wohl auch hierzulande am meisten Beunruhigung bei den Menschen hervorruft. Die Wahrscheinlichkeit aber, sich damit zu infizieren, ist geringer als befürchtet und es gibt eine Therapie. Gegen die FSME, die zweitwichtigste Infektion, gibt es eine Impfung.

 

 

Zecken lauern im Wald oder im hohen Gras und warten dort auf ihr Essen. Im Gegensatz zu diversen Mythen können Zecken sich weder vom Baum fallen lassen noch können sie springen, fliegen oder in der Luft gleiten. «Zecken findet man auf Pflanzen bis zu 1,5 Meter über Boden, von wo sie sich von Mensch oder Tier abstreifen lassen», erklärt Philippe Rochat, Leitender Arzt der Medizinischen Klinik am Kantonsspital Frauenfeld.
Die Spinnentiere, die ihre Opfer entgegen der allgemeinen Meinung nicht beissen, sondern stechen, sind wahre Überlebenskünstler. «Eine 40-Grad-Wäsche überleben die Tierchen genauso wie eine Woche unter Wasser», erklärt Philippe Rochat. Er kann sogar von einem Fall berichten, bei dem eine Zecke mit einer Blutmahlzeit mehr als zehn Jahre in einem Labor überlebt hat. «Zecken sind genügsame und zähe, kleine Biester». Nach Zeckenstichen können diverse Infektionen auftreten. Die häufigsten und damit wohl bekanntesten Krankheitsbilder sind die Borreliose und FSME – die Hirnhautentzündung.

Die Borreliose
Die Borreliose kann vielfältig und unterschiedlich schwer verlaufen. Auch gibt es kontinentale Unterschiede, was die Art der Borreliose-Bakterien (Borrelien) anbelangt. Während in der Schweiz und Europa nach einem Stich des Gemeinen Holzbocks in den meisten Fällen die Haut betroffen ist, greifen die Bakterien in Nordamerika vorwiegend Gelenke an. Die grosse Angst: Ein Befall des Nervensystems.
«Man muss sich bewusst sein, dass nur rund einer von 100 Stichen zu einer Borreliose führt», sagt Philippe Rochat. Und bei ungefähr drei Prozent der Erkrankten – also bei etwa drei von 10 000 Gestochenen – ist das Nervensystem betroffen. Die gefürchteten Spätfolgen sind noch viel seltener. «Es ist wichtig, dass man im Allgemeinen etwas die Angst vor der Borreliose nimmt, sie gleichzeitig aber auch nicht verharmlosen darf», sagt Philippe Rochat. Denn liegt einmal eine Erkrankung des Nervensystems vor, sollte umgehend mit der Behandlung begonnen werden. «Gerade was das Nervensystem anbelangt, gilt: Ist erstmal etwas kaputt, kommt es nicht wieder und wenn doch, dann nur sehr langsam und meist unvollständig».

Indizien für eine Erkrankung
Nach einem Zeckenstich ist die Haut meist dort, wo man gestochen wurde, gerötet. Eine solche Hautinfektion offenbart sich erst Tage oder sogar Wochen später. «Es können dann einer oder mehrere rote Flecken auftreten. Wenn diese auf über fünf Zentimeter anwachsen, besteht der Verdacht auf Borreliose und es muss eine Abklärung beim Arzt erfolgen», erklärt der Facharzt. Zur Behandlung werden Antibiotika eingesetzt, auch in der Hoffnung, zum Beispiel einen Befall vom Nervensystem zu verhindern.
Für die Ärzte sei wichtig, sich bei einem Borreliose-Verdacht nicht nur auf Bluttests zu verlassen. «Jemand kann schon einmal mit Borrelien in Kontakt gekommen sein, es nicht gemerkt haben und damit Antikörper im Blut aufweisen. Zum Beispiel haben Waldarbeiter häufig Antikörper im Blut, ohne je erkrankt zu sein. Das Immunsystem hat die Bakterien besiegt», erklärt Philippe Rochat. Das gesamtheitliche Krankheitsbild sei zu beachten und entscheidend.

FSME – eine Impfung schützt
Die zweithäufigste von Zecken übertragene Krankheit ist die FSME. Dagegen gibt es eine Impfung, die ab 6 Jahren in der ganzen Schweiz empfohlen wird. Der ideale Zeitpunkt für die Impfung, welche aus 3 Spritzen besteht, ist im Winter. Für FSME gibt es in der Schweiz eine Meldepflicht. Rund 400 Fälle sind es aktuell pro Jahr – Tendenz steigend. «Die Impfrate in der Schweiz könnte besser sein», sagt Philippe Rochat dazu. Grundsätzlich gilt: «Je jünger das Opfer, desto milder der Verlauf. Bei älteren Menschen kann es sehr schwere Krankheitsverläufe geben».
Die grösste Gefahr, von Zecken gestochen zu werden, haben Menschen, die sich viel im Wald aufhalten und dort auch mal querfeldein gehen. «Beispielsweise OL-Läufer, Waldarbeiter oder Pilzsucher. Für diese gilt es, die gängigen Tipps zu beachten. Wer sich nur auf den Waldwegen oder gar nicht im Wald bewegt und geimpft ist, der muss sich keine Sorgen machen». Michael Anderegg

Vorbeugungen gegen Zeckenstiche und -erkrankungen:
– Im Wald, wenn, dann nur mit entsprechendem Schutz querfeldein gehen
• Lange und helle Kleidung tragen
• Die Socken über die Hose ziehen
• Mittel wie Antibrumm können Zecken fernhalten
– Zu Hause die Haut absuchen und absuchen lassen, insbesondere in den diversen Hautfalten.
– Durch ein Vollbad kurz nach Aufenthalt in der Natur können herumkrabbelnde Zecken weggeschwemmt werden.
– Eine festsitzende Zecke sollte, ohne den Hinterleib auszudrücken, mit einem geeigneten Instrument nah am Zeckenkopf entfernt werden.
– Nach einem Stich: Die Einstichstelle während circa 6 Wochen beobachten und bei Auftreten einer Rötung einen Arzt aufsuchen.
– Hilfreich kann auch die Zecken-App von der ZHAW sein.