Frauenfeld · 09.08.2023
Schneidern im multikulturellen Nähtreff
Migrantinnen können im Nähtreff einer sinnvollen Arbeit nachgehen und ihre Deutschkenntnisse verbessern.
Freitag ist jeweils Nähtag an der Grabenstrasse 12. Im 1. Stock ist beim Besuch der Frauenfelder Woche lediglich ein leises Rattern zu hören. «Das ist nicht immer so», sagt Dora Zimmermann lachend. Das Sprachengewirr könne manchmal schon laut werden. Sie ist eine von fünf Schweizerinnen, die momentan abwechselnd den Nähtreff für geflüchtete Frauen betreuen. Da keine Anmeldepflicht besteht, ist die Zahl der jeweils Teilnehmenden nicht planbar. Heute sind neun gekommen.
Organisiert wird der Nähtreff von der Flüchtlingsarbeit Salem Frauenfeld, deren Angebot Raum für offene Begegnungen, interkulturellen Austausch und gegenseitiges Lernen zwischen Einheimischen und Fremdländern. Zum Angebot gehören auch ein Begegnungscafé sowie der Bereich Fördern und Begleiten. Die Leitung hat Salome Nägeli-Gysel. Um die wöchentlichen Treffpunkte mit rund 70 fremdländischen Besuchern anzubieten, sind rund 20 Ehrenamtliche regelmässig im Einsatz. Salem wird von der evangelischen Allianz getragen und durch weitere Spenden von lokalen Organisationen sowie nationalen Stiftungen finanziert.
Die Nähkenntnisse der Frauen sind unterschiedlich, ebenso ihre Deutschkenntnisse. Aber man weiss sich zu helfen, notfalls mit Händen und Gesten oder mit dem Handy. Ülümser etwa hat viel und schweren Stoff unter ihrem Nähfuss. Ein Vorhang? Flink fischt die Türkin ein Smartphone aus der Tasche und zeigt voller Stolz, was sie spontan nicht benennen kann: ein Sofa. Dessen eine Hälfte ist mit dem selben Stoff überzogen, den Ülümser jetzt mit ihrer Maschine bearbeitet. Die zweite Hälfte ist auch bald fertig. Vorhänge indes hat Meseret angefertigt. Auch sie ist stolz und freut sich über die fertige Arbeit.
Die Stoffe haben beide Frauen selber mitgebracht. Für kleinere Arbeiten wie Handtücher, Schürzen oder Haarschmuck steht den Näherinnen eine grosse Auswahl bunter, unterschiedlich grossen Stoffresten zur Verfügung, die der Nähtreff von verschiedener Seite erhält. Zudem hat Bernina einen Teil der Nähmaschinen gespendet.
Ältere Modelle, aber alle gut im Schuss. Vor kurzem sind fünf weitere dazu gekommen, die nach der Sommerpause in Einsatz kommen. «Dafür sind wir sehr dankbar», sagt eine Betreuerin.
Nach dem Nähen ins Begegnungscafé
Langsam neigt sich der Nähnachmittag dem Ende zu. Zu erkennen ist das, weil es immer lauter wird im Saal. Die Frauen gehen herum und begutachten die Arbeiten der anderen.
Wo die Worte fehlen für Komplimente, füllt ein bewunderndes Lächeln die Kommunikationslücke, denn eine gemeinsame Sprache gibt es für die Migrantinnen aus Syrien, Sri Lanka, Eritrea und der Türkei nicht. Nach Hause will jetzt aber noch niemand. Gleich anschliessend geht es weiter im Begegnungscafé, wo man sich nach jedem Nähtreff mit Familienmitgliedern, Asylsuchenden und Schweizern zum lebhaften Austausch treffen kann.
Evi Biedermann