Frauenfeld · 03.07.2024
Vier Monate leiden für nur einen Wettkampf
Patrik Wägeli wäre gerne an den Olympischen Spielen in Paris gestartet. Die Marathon-Limite schaffte er nicht, trotzdem darf er bisher auf eine sehr gelungene Saison zurückblicken.

Bei seinem Referat in Weinfelden vor dem Panathlon Club Thurgau (dem Serviceclub des Sports), schüttelten einige Mitglieder immer wieder den Kopf. Marathon-Schweizer-Meister Patrik Wägeli zeigte auf, was für gewaltige Trainings-Aktivitäten er absolviert. Der 33-Jährige bewirtschaftet seinen Hof mit 50 Hektaren Land und Milchwirtschaft sowie Ackerbau. Im Herbst stellt er auf Rindermast um. Wägeli darf auf die Mithilfe seiner Eltern zählen, damit er sich zwischenzeitlich klar auf den Sport fokussieren kann.
15 Paar Laufschuhe pro Jahr
Wie funktioniert sein Zeitmanagement? «Das wird schwieriger, wenn länger schlechtes Wetter herrscht». Der Trainingsaufwand für einen einzigen Marathon – drei absolviert er pro Saison – ist enorm. Der Nussbaumer nennt ein paar Zahlen: «Ich laufe 7800 Kilometer im Jahr. Für die 600 Stunden Training benötige ich 15 Paar Laufschuhe. Zu allem kommen noch 250 Stunden Kraft- und Athletik-Training dazu.».
Obwohl der schnellste Landwirt der Schweiz immer versucht, möglichst viel Abwechslung in die absolvierten Einheiten zu bringen, fragt er sich ab und zu? «Warum tue ich mir das an? Vier Monate leiden für einen Wettkampf. Verläuft dieser allerdings nach Plan, ist die knüppelharte Vorbereitung vergessen und die pure Freude und Erleichterung überwiegt».
In vier Phasen aufgeteilt
Der 69 Kilo schwere und 177 Zentimeter grosse Modellathlet teilt die 12-wöchige Vorbereitung in vier Phasen ein. In der ersten sind das lockere Einheiten, wo ein Normalverbraucher schon ausser Atem geraten würde. Dann folgen härtere und schnellere Lektionen und Trainingslager. Eine etwas strengere Woche kann so aussehen: 225 Kilometer laufen ergeben zwischen 15 bis 25 Stunden Training und dazu 24 Stunden Arbeit auf dem eigenen Hof.
Am schwierigsten sind die letzten zwei Wochen vor dem Marathon und damit die Phase drei. Die Beine sind unheimlich müde und die Regeneration wird noch wichtiger. Trotzdem gilt der ganze Fokus den kommenden 42,2 Kilometern. Phase vier betrifft hauptsächlich die Ernährung: «Ich kann zum Glück alles essen, auch enorme Mengen. Mein Körper muss zu diesem Zeitpunkt mit Energie voll geladen werden».
Dann folgt das wichtigste Element, der Wettkampf: «Ich will die totale mentale Energie mit voller Leistungs-Bereitschaft erreichen. Wenn es geklappt hat, darf ich sagen, es hat sich gelohnt, vier Monate zu leiden».
Sogar Doppel-Schweizer-Meister
Eigentlich war schon vor dem Marathon in Zürich klar, dass Patrik Wägeli die immer wieder nach unten angepasste Olympia-Limite kaum schaffen kann. Trotzdem durfte er seinen zweiten Meistertitel feiern: «An diesem 21. April fühlte ich mich zwar nicht besonders gut. Aber ich vermochte je länger das Rennen dauerte immer zusetzen. Weil ich ein absoluter Wettkampf-Typ bin, konnte ich mich im Finale von Rang drei noch an die Spitze setzen. Gold gab es nur, weil ich voll am Limit lief». Als schönen Zusatz gab es auch Gold als Team-Mitglied des LC Frauenfeld.
Gegenwärtig trainiert Wägeli ohne Trainer nach Lust und Laune, um seine Oberschenkel-Probleme in den Griff zu kriegen. Zwei Monate lang. Rot im Kalender angestrichen ist im Dezember das Datum für den Marathon von Valencia: «Diese schnelle Strecke behagt mir». Im Vorjahr schaffte der Thurgauer in Spanien seine persönliche Bestzeit von 2:12:58. Was schaut wohl diesmal für eine Zeit heraus?
Ruedi Stettler