Frauenfeld · 04.09.2024
Tragisches Unglück
Es gibt neue Erkenntnisse zum Brand auf dem Unteren Mättli
Die Feuersbrunst auf dem Unteren Mättli hat neben dem Lager des Kindertheaters Floh auch das der Seniorenbühne komplett vernichtet. Eine weitere schlimme Nachricht betrifft den Taubenschlag: Wie jetzt bekannt wurde, sind trotz ersten Annahmen fast alle Tauben verendet. Die Kantonspolizei hat indes Hinweise auf die Brandursache gefunden.
«Mich hat fast der Schlag getroffen.» Fredi Bloch, im Vorstand und Materialverwalter der Seniorenbühne Frauenfeld, erinnert sich genau an seine Reaktion, als er vom verheerenden Brand auf dem Unteren Mättli erfuhr. «Totalschaden, alles ausgebrannt», so wurde ihm die Nachricht zugetragen. Als er sich selbst ein Bild machen konnte, war klar: Alles ist weg.
Unschätzbarer Schaden
Seit etwa eineinhalb Jahren ist der ehemalige Disponent für das Lager der Seniorenbühne zuständig. Unter dem Dach von Halle 10, einem ehemaligen Militärgebäude, kümmerte er sich um Requisiten, welche die Vereinsmitglieder über 30 Jahre lang zusammengetragen haben. Dutzende Möbelstücke, Accessoires, Kleider, Bücher, aber auch etwas Technik wie Scheinwerfer, Leinwände, Beamer und Lautsprecher haben sich hier angesammelt. Dazu wertvolle Kulissen, Stellwände aus Holz, die mit Leinwand bespannt und bemalt wurden. Sogar wichtige Unterlagen wie die Vereinschronik, Protokolle, Kassenbücher und Fotomaterial befanden sich hier. Die Höhe des Schadens kann in Zahlen gar nicht beziffert werden. Denn an vielen Teilen hängen Erinnerungen. Vieles war selbstgebastelt oder liebevoll zusammengesucht. «Es ist das Schlimmste, was hätte passieren können», resümiert der Pensionär. Nur das Soundsystem mit Verstärkeranlage und Mikrofonen wurde glücklicherweise an einem anderen Ort gelagert.
Wieder vorausschauen
Der Schock über den Schaden sitzt noch tief. Doch der Materialwart ist auch ein praktisch denkender Mensch, dem sofort klar war, dass er jetzt funktionieren muss. Schon am darauffolgenden Montag traf sich der Vorstand der Seniorenbühne zu einer Notsitzung und demonstrierte Durchhaltewillen. «Da haben wir uns entschieden. Wir machen weiter, wir ziehen das durch», sagt Bloch. Doch was bedeutet das genau?
Alle helfen mit
Auf jeden Fall, dass nun eine intensive Zeit bevorsteht. Der Verein hofft, dass ein grosser Teil des Schadens durch die Versicherung gedeckt ist. Ein Spendenaufruf wurde ebenfalls getätigt. Vorerst nicht nach Geld.
«Wir hoffen vor allem auf Materialspenden», sagt Fredi Bloch, der sich bereits auf Brocki-Tour begeben hat und dort geeignetes Material herausgepickt hat. Die Mitglieder haben ihren Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis aktiviert. Bei ihm als Materialwart laufen dann alle Fäden zusammen; er inspiziert Funde und koordiniert die Abholung. Fantasie und Recherche seien gefragt. Doch bis der Stock wieder aufgebaut ist, wird es wahrscheinlich Jahre dauern. Besonders aufwendig ist es, die Kulissen zu ersetzen. Fredi Bloch hat dazu Kulissenbauer und andere Theatervereine angefragt. Ebenso wurde der Zentralverband Schweizer Volkstheater kontaktiert. «Vielleicht ist es möglich, irgendwo eine Kulisse günstig zu kaufen oder auszuleihen», hofft er.
Der Verein will jetzt erst mal das zusammentragen, was er für die nächsten Aufführungen benötigt. «Liebestropfe für Rindviecher» und «De Schmuck im Hüehenerstall» heissen diese. Die Texte dazu haben die Schauspielerinnen und Schauspieler auswendig gelernt; die Proben dazu haben kürzlich begonnen. Im Januar startet die Tournee. Wie das Kindertheater Floh (siehe Interview auf dieser Seite unten) wird die Show also trotz der Katastrophe weitergehen.
Igelstation kam glimpflich davon
Weniger schlimm als die Theatervereine hat es die Igelstation getroffen. Sie besteht aus einem kleinen Eingangsbereich und dem eigentlichen Stationsraum. Dort ist ausser den Verschmutzungen durch das Löschwasser kein Schaden entstanden. Anfang dieser Woche haben Fachleute mit der Brandreinigung begonnen. Nur das Dach über dem Eingangsbereich und an der östlichen Aussenwand hat Feuer gefangen. Die Stadt kündigte an, dieses wieder reparieren zu lassen. Wann? Das steht noch nicht fest. «Die Igelstation kann den Betrieb auch mit beschädigtem Dach wieder aufnehmen, da die statische und wettertechnische Notreparaturen bereits ausgeführt worden sind», teilt das zuständige Amt mit. Inwieweit die Elektroinstallationen Schaden erlitten haben, sei noch in Abklärung.
Igel sind in Freiheit
Die Igelstation gehört zum Tierschutzverein Frauenfeld und Umgebung. Ein Mitglied der Feuerwehr nahm die 20 Igel spontan zu sich auf den Bauernhof. Am Morgen wurden sie in der Scheune des Landwirts bereits wieder vom Igelteam versorgt. «Mittlerweile sind die Igel in Freiheit», überbringt Tierschutz-Präsidentin Monika Frei eine gute Nachricht. «Sie sind mit rund 400 Gramm Gewicht so gross gewesen, dass man sie auswildern konnte.» Dank des guten Wetters habe es viele Insekten, so Frei, darum konnte diese Entscheidung getroffen werden. Ansonsten hätte es noch die Möglichkeit gegeben, zu kleine Igel in vom Verein betreuten Winterquartieren unterzubringen.
Möglicherweise könne die Igelstation im September wiedereröffnen, sagt die Tierschutzpräsidentin. Der Schaden sei nicht gewaltig. Sie blickt bereits wieder in die Zukunft: «Vielleicht nützen wir die Gelegenheit und streichen neu. Mit überschaubarem Aufwand ist das wieder zu retten. Wichtig ist, dass es zeitlich hinhaut.» Denn wenn im Herbst wie jedes Jahr der Hochbetrieb losgeht und die meisten Igel gemeldet werden, will die Station wieder parat sein. Das Igeltelefon ist nach wie vor im Betrieb. Bei Meldungen helfen andere Stationen aus, wie die des Walter Zoos, die Station in Kollbrunn oder der Tierschutzverein Kreuzlingen.
Während die Igelstation also glimpflich davon kam, steht die Zukunft des Taubenschlags noch in den Sternen. Dieser hat einen Totalschaden erlitten und müsste komplett neu erstellt werden. Die Stadt sucht nach Ersatzmöglichkeiten.
Verbrannte Tauben gefunden
Eine weitere schlimme Nachricht betrifft die Tauben. «Trotz Bemühungen der Feuerwehr, die bei der Voliere ein Fluchtloch schlagen konnte, konnte sich ein Grossteil nicht in Sicherheit bringen und kam beim Brand um», vermutet Daniel Weishaupt entgegen erster Annahmen. «Wahrscheinlich sind sogar alle umgekommen», ergänzt der Abteilungsleiter Werkhof und Stadtgrün beim Amt für Tiefbau und Verkehr betrübt. Überlebende Tauben hätten sicher versucht, am nächsten Abend wieder zum Schlag zu fliegen. Doch das sei nicht der Fall gewesen. «In der Voliere haben wir verbrannte Tauben gefunden», berichtet Weishaupt. Er hält es für unwahrscheinlich, dass sich Tauben aus dem gänzlich abgebrannten Schlag hätten retten können.
Was passiert mit der Scheune?
Unklar sei zudem, welche Zukunft das ehemalige Militärgebäude, die Halle 10, als Gesamtes hat, heisst es von der Liegenschaftenverwaltung der Stadt Frauenfeld. Kann sie wieder aufgebaut werden? «Zurzeit laufen Abklärungen, was mit dem Gebäude geschehen soll.» Wie hoch der Schaden für die Stadt Frauenfeld ist, können die Verantwortlichen noch nicht beziffern.
Fremdeinwirkung bewiesen
Die Kantonspolizei Thurgau ist derweil der Brandursache auf der Spur. Wurde das Feuer absichtlich gelegt? Oder war es Fahrlässigkeit? Die Brandermittler sind sich sicher: «Eine technische oder natürliche Ursache kann ausgeschlossen werden.» Daher stehe zurzeit eine menschliche Handlung als Brandursache im Fokus der Untersuchungen, sagt Mediensprecher Ralf Frei. Weitere Details dürfe die Kantonspolizei aus taktischen Gründen nicht veröffentlichen. «Die Ermittlungen wurden am Tag des Brandes aufgenommen und dauern an.»
Seniorenbühne: Die Seniorenbühne ist für jede Unterstützung und jeden Hinweis sehr dankbar. www.seniorenbühne-frauenfeld.ch
Stefan Böker