Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 21.06.2023

Klares Nein zum Verkauf

Die Bevölkerung hat den Verkauf des Casomp-Gebäude abgelehnt

Das Casino-Gebäude am Bahnhofplatz wird nicht veräussert. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger der Stadt Frauenfeld haben den Verkauf des Casinos respektive der Liegenschaft 76b/Kasernenplatz 4 mit 4613 Nein- zu 1945 Ja-Stimmen klar abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurde die Bildung einer Vorfinanzierung im Falle eines Verkaufs (3699 Nein/2787 Ja).

 

 

Die Bevölkerung hat den Verkauf ihrer Veranstaltungsstätte Nummer 1 mit über 70 Prozent abgelehnt. Dieses Ergebnis lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und lässt auch keinen Raum für Spekulationen. Damit bleibt das Gebäude, in dem der Saalbetrieb rund einen Drittel belegt, die restlichen zwei Drittel sind Büroräume, Coiffeursalon und Süsswarengeschäft, im Besitz der Stadt.

Hugentobler: Nun herrscht Klarheit
Der Stadtrat hat diesen Volksentscheid zur Kenntnis genommen, wie Stadtrat Fabrizio Hugentobler am Montagnachmittag sagte. Auf jeden Fall herrsche nun Klarheit, nämlich dass das Gebäude nicht verkauft und auf 14 Mio. Franken verzichtet wird. Allerdings sei aus unterschiedlichsten Gründen gegen den Verkauf gestimmt worden. Den einen habe ein verbindliches Projekt für einen neuen Stadtsaal auf dem Kasernenareal gefehlt, andere möchten zuerst einen Variantenfächer und wieder andere sind gegen einen Abbruch.
Hugentobler: «Es ist nicht einfach, einen klaren Tenor herauszuhören». In einem nächsten Schritt werde nun geklärt, wie der Auftrag für weitere Planungen aussehe und ob ein Stadtsaal auf dem Kasernenareal projektiert werden soll. Die entsprechende Botschaft liegt bereits beim Gemeinderat. Eine Sanierung unter laufendem Betrieb des jetzigen Casinos komme nicht in Frage, weil die Bauarbeiten zu einem Betriebsunterbruch führen, sagte Hugentobler weiter.

Dreyer: Nein-Komitee hocherfreut
Das Komitee «NEIN zum überstürzten Casino-Verkauf» ist gemäss Mitteilung von Marcel Dreyer von der Geschäftsstelle hocherfreut über das Ergebnis der Abstimmung und bedankt sich «bei den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern für ihre Weitsicht. Jetzt ist der Weg frei, die Zukunft des Casinos oder eines neuen Stadtsaales mit der nötigen Sorgfalt zu klären.» Vom Stadtrat erwarte das Komitee nun eine seriöse Planung und Projektierung anstelle des überhasteten Ad-Hoc-Vorgehens. Dazu gehören eine Analyse der bestehenden Säle, eine Bedarfserhebung, die Sicherstellung der Finanzierung und eine saubere Projektdefinition.
Auf Basis dieser strategischen Planung können dann mit einer Vorstudie verschiedene bauliche Varianten geprüft und bewertet werden, und zwar unter Berücksichtigung der Aspekte Umwelt (Klimaauswirkungen), Gesellschaft (Vereine) und haushälterischer Umgang mit den verfügbaren Mitteln (Finanzen). Genauso sieht es die Liegenschaftenstrategie der Stadt Frauenfeld vor und dem Stimmvolk können dann Vorschläge mit Fakten für beide Varianten – Stadtsaal im Casino-Gebäude oder in der Doppelreithalle – präsentiert werden.

Regli: Petitionskomitee zufrieden
Christoph Regli vom Petitionskomitee «Casino nicht ins Ungewisse planen», das von der mittlerweile in den Stadtrat gewählten Regine Siegenthaler initiiert wurde, ist natürlich zufrieden mit dem Ausgang der Abstimmung. Auch schliesst er sich den Ausführungen des Komitees «NEIN zum überstürzten Casino-Verkauf» an. Regli weiter: «Auch für mich ist es das Wichtigste, dass möglichst immer ein Stadtsaal zur Verfügung steht.»

Erné: Deutlichkeit erwartet
Wie Sandro Erné vom Ja-Komitee sagt, sei das deutliche Wahlresultat zu erwarten gewesen: «Es gab verschiedene Gruppierungen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen ein Nein in die Urne legten. Das reicht von emotionalen Bindungen, über Aversion gegenüber der Käuferschaft, über Misstrauen gegenüber dem Stadtrat bis hin zu solchen, die das Casino grundsätzlich verkaufen würden – aber halt nicht jetzt. Welche Gruppe welchen Anteil ausmachten, ist kaum zu ermitteln. Es hat aber viele darunter, die die Zukunft nicht am jetzigen Standort sehen. Und das war nebst der Finanzierungssicherung der wichtigste Punkt für das Ja-Komitee. Das Ja-Komitee akzeptiert natürlich den Volksentscheid und nimmt diesen auch ernst.
Als sehr schwierig erachtet das Ja-Komitee nun, wie es zielführend weitergehen soll. Die Finanzierung eines neuen Stadtsaales ist vom Tisch und es fragt sich, wo nun angesetzt wird. Das politische Hickhack geht nun voll los und die grundsätzlich positive Haltung im Gemeinderat gegenüber einem Stadtsaal in der Kaserne wurde nun arg gedämpft.» Der Planungskredit sei allenfalls sogar gefährdet. Die Fraktionen wären nun gefordert, herauszufiltern, welche Variante und an welchem Standort nun diejenige sein soll, die mit einem Planungskredit belastet werden soll. Erné: «Es bleibt zu hoffen, dass der jetzige Saal vorerst noch weiterbetrieben werden kann und keine unnötigen Kosten in eine Liegenschaft gesteckt werden, in der die Zukunft des Stadtsaals gar nicht sicher ist.»

Weber: Grosse Hallen sind immer weniger gefragt
Eigentlich wollte sich der langjährige Pächter Richard Weber, der das Casino bis Ende 2015 gemeinsam mit seiner Frau Martha während 28 Jahren geführt hatte, nicht zum Thema äussern. Nun hat er sich anders entschieden und er hat absolut kein Verständnis dafür, dass eine Sanierung des Casinos gar nie eingehend geprüft wurde: «Man hört immer nur, eine Sanierung sei zu teuer – Fakten aber fehlen.» Generell müsste man ohnehin zuerst einmal eine Bedürfnisabklärung machen und die Benutzer auch fragen, was sie bereit sind zu bezahlen. Da würde man sehr schnell feststellen, dass die Nachfrage nach grossen Veranstaltungslokalen längst vorbei ist. Aus dieser Sicht habe das Casino mit 600 bis 700 Besuchern die ideale Grösse. Im Vergleich dazu hat das erfolgreiche Casinotheater Winterthur ja gerade mal Platz für rund 350 Personen.
Weber: «Zudem ist die Lage des Casinos direkt am Bahnhofplatz besser als jede Alternative. Und auch der bauliche Unterhalt wurde stets vorgenommen. Deshalb muss auch eine Sanierung dieser Veranstaltungsstätte zwingend geprüft werden. Selbst wenn das vielleicht nicht allen passt und man lieber einen Neubau hätte», sagt jener Mann, der das Casino bestens kennt.  Andreas Anderegg