Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 23.08.2023

«Verstaubtes» polieren

 

 

Bevor ich einen Blick auf das frisch vermählte Ehepaar ergattere, flitzt ein leuchtend roter «Füürstei» vorbei. Er verfehlt mich nur knapp. Mit breitem Grinsen hebe ich ihn auf und lasse ihn genüsslich auf der Zunge vergehen. Eine Kindheitserinnerung vom bunten «Zältliregen» an längst vergangenen Hochzeiten erwacht. Das Brautpaar warf sie damals als eine Art symbolischen Wegzoll. 


Wie war das noch mit diesen «alten» Traditionen? Der Start in einen neuen Lebensabschnitt bringt nebst (Vor-)Freude oft Ungewissheit und Aufregung mit sich. Hier zeigen sich bekannte Rituale als treue Begleiter. Auch wenn die überdimensionalen Schultüten neuerdings wie «Rüebli» aus dem Boden schiessen, sollen sie ein süsses Trostpflaster vor dem Ernst des Lebens darstellen. Selbst mein Töchterlein hat sich zum 1. Schultag eine gewünscht. 


Doch wann bin ich das letzte Mal einem feschen Zimmermann in seiner edlen Kluft begegnet? Die Walz prägte die zünftigen Gesellen auf ihrer jahrelangen Wanderschaft. Ebenso wird der frühere «Lölitag» an der Kanti Frauenfeld für viele Absolventen unvergesslich bleiben. Und der herrlich duftende «Examä-Weggä»…mmmh! Immer weniger dieser denkwürdigen Bräuche werden heute noch gepflegt, dabei liegt «Vintage» doch im Trend. Mein «Chindsgi-Streifen» gehört auf jeden Fall zu den wertvollsten Schätzen in der Erinnerungskiste. Er gab mir damals das Gefühl, endlich «ganz gross» zu sein. Umso schöner, dass die Sennen ihre prächtigen Trachten weiter in Ehren halten und den Auf- und Abzug auf die Alp zelebrieren. Rituale begleiten uns durchs ganze Leben. Sie schaffen Gemeinschaft, schenken Sicherheit und neue wertvolle Erinnerungen. Dafür lohnt sich sogar ein kaltes Bad im «Gautscher-Brunnen».


 Sarah Utzinger


Auf der Suche nach geschichtsträchtigen Ritualen freuen wir uns auf Ihre Erinnerungen: redaktion@frauenfelderwoche.ch