Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 23.08.2023

Feierliche «Gautschete» in Bischofszell

Das Typorama-Museum erzählt im Rahmen einer Sonderausstellung vom 19. August bis 30. Oktober die Geschichte des «Gautschens», dem alten Brauch der Buchdruckertaufe.

 

 

«Packt an!», hallte es durch die Hallen mit den altehrwürdigen Druckmaschinen. Die Firma Genius AG nahm die Vernissage zum Anlass, ihre aktuelle Lehrabgängerin zu überraschen. Berufsbildner Martin Albiez warf sich dazu sogar in die edle Kluft des Gautschmeisters. Unter lautem Lachen wurde die junge Polygrafin an Händen und Füssen «geknebelt» und im «Wägeli» zum Stadtbrunnen gefahren. Für erhabenen Trommelwirbel sorgte der Sohn des Stadtpräsidenten, Lino Weingart, welcher den festlichen Zug anführte.


Seit dem 16. Jahrhundert


Buchdrucker und Schriftsetzer sind stolz auf ihre alte Kunst des Schaffens. Da sie früher in engem Kontakt mit Akademikern standen, waren mancherlei Zunftbräuche ähnlich denen der Studenten und haben sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Bei diesem besonderen Übergangsritual nehmen die «Meister und Gesellen» die Absolventen des Druckgewerbes offiziell in ihren Kreis auf. Die Bezeichnung «Gautschen» kommt ursprünglich vom Papierschöpfen, dem wortwörtlichen «im Wasser schwenken». Mit dieser «Wassertaufe» werden die Lernenden symbolisch von ihren bisherigen Fehlern gereinigt und die restlichen Flausen im Kopf ausgewaschen. So erging es vergangenen Freitag auch Sheila Tran, welche ihren erfrischenden Tauchgang im Brunnen sicherlich nicht so schnell vergessen wird.



Museum für Satz und Druck


Das Typorama ist Museum und zugleich Produktionsbetrieb, in welchem noch heute Druckerzeugnisse in der faszinierenden Bleisatz-Technik hergestellt werden. «Wir lassen die Gautschbriefe für unsere Auszubildenden hier drucken», erzählt mir René Weber, Geschäftsführer der Genius AG.



Aussergewöhnliche Sammlung 


«Ein herzliches Gott grüsst die Kunst, liebe Freunde der schwarzen Kunst». Die Kuratoren Walter Baumann und Hans Mühlethaler sind stolz, den Besuchern ihre Sammlung aus den letzten 130 Jahren «Gautschen» präsentieren zu dürfen. Darunter befinden sich nebst einem Original-Gautschmeister-Gewand, zwei Gautschbriefe aus dem Mainzer Museum des Johannes Gutenberg, dem Erfinder des Buchdrucks sowie das Exemplar des bekannten Schweizers Viktor Giacobbo.


Der Präsident der Stiftung Typorama, Viktor Heer, blickt erfreut auf die geschichtsträchtige Sonderausstellung und bedankt sich bei allen Beteiligten und Gönnern.



Kinder sind herzlich willkommen


Das «Gautschen» begeistert auch die Jüngeren unter uns. Wer ist als Kind nicht voller Freude einmal in den Dorfbrunnen «gehüpft», damals sogar freiwillig. Das Typorama bietet ein wöchentliches Kinderprogramm und Führungen für die ganze Familie an.


Sarah Utzinger


Weitere Informationen unter:
www.typorama.ch