Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 20.09.2023

Vom Jugendrat in den Gemeinderat

Die politische Karriere bereits früh lanciert

Sie ist jung, motiviert, hat einen Migrationshintergrund und ist seit Juni für die SP im Gemeinderat – Parwin Alem Yar. Die 22-Jährige ist in Frauenfeld die erste Politikerin, die bereits in einem der beiden Nachwuchsorgane Kinder- oder Jugendrat tätig war und danach den Sprung in ein politisches Amt geschafft hat.

 

 

Seit zehn Jahren gibt es in Frauenfeld den Kinderrat. Während der Corona-Pandemie wurde dann auch noch der Jugendrat gegründet. Zwei Gefässe, um Kindern und Jugendlichen mehr Gehör zu schenken und sie an die Politik heranzuführen. In Letzterem wurde die heute 22-jährige Parwin Alem Yar an der Gründungsversammlung im Februar 2021 zur Co-Präsidentin gewählt. «Es war spannend, den Jugendrat mit so vielen, jungen Personen in eine funktionierende Bahn zu lenken, wenn auch nicht ganz einfach», erinnert sich Alem Yar, die im letzten Jahr aus Altersgründen aus dem Jugendrat ausgeschieden ist. Die Altersspanne der Jugendlichen sei mit 14 bis 21 Jahren gross und die Bedürfnisse unterschiedlichster Natur gewesen. «Aber bis zu meinem Ausscheiden nahm das Ganze richtig Fahrt auf», freut sich die ehemalige Co-Präsidentin.


 


Schule und Pfadi


Erste politische Schritte machte Parwin Alem Yar, als sie an der Sekundarschule Reutenen Schülerratspräsidentin war und dort der Kontakt zur Jugendanimation 20gi entstand, die für den Kinder- und den Jugendrat verantwortlich zeigt. «Es gab immer wieder Anfragen der Stadt über das 20gi und als es dann Thema wurde, durfte ich am Konzept des Jugendrats mitarbeiten», erinnert sie sich. Dass sie eine Frau ist, die gerne anpackt und Entscheidungen trifft, zeigt auch die Tatsache, dass sie auch in der Pfadi seit jeher eine Führungsposition innehat. Pilu – so ihr Pfadiname – ist Stufenleiterin der Pfadi Wellenberg. «Von dort bin ich mich gewohnt, zu organisieren, anzupacken und Entscheidungen zu treffen», sagt Parwin Alem Yar.


 


Abläufe aus dem Effeff


Motiviert zum Eintritt in die Partei sowie um für den Gemeinderat zu kandidieren wurde Parwin Alem Yar von SP-Stadträtin Barbara Dätwyler Weber. «Sie hat so etwas wie eine Mentoren-Rolle für mich eingenommen», so die junge Politikerin. Sie kennen sich schon einige Zeit, schliesslich hat Alem Yar auch ihre KV-Lehre einst auf der Stadtverwaltung absolviert. «Aus diesem Grund sind mir die politischen Abläufe und Themen der Stadt natürlich nicht fremd», erklärt die junge Politikerin einen ihrer grossen Vorteile.


Heute arbeitet Alem Yar als Leiterin der Einwohnerdienste in Bichelsee-Balterswil. Zu ihrer Wahl in den Gemeinderat im Juni sagt sie: «Das kam unerwartet. Ich habe nicht damit gerechnet, habe mich aber natürlich sehr gefreut.» Schon die Tatsache, dass sie auf der Wahlliste der SP so weit oben platziert worden war, habe sie positiv überrascht. Die Wahl sehe sie als «grosse Chance» und es habe in ihrem Leben auch so einiges auf den Kopf gestellt. «Es kam und kommt viel Neues auf mich zu.» Da sie aber ein «Warum-Weshalb-Wieso-Kind» ist, sei das absolut in Ordnung.


 


Für die gute Sache


Parwin Alem Yar sagt mit einem Augenzwinkern: «Reden tue ich sowieso. So mache ich es eben für eine gute Sache.» Genau diese Sache sei es, was sie am Gemeinderat fasziniert: «Dort sitzen 40 unterschiedlichste Charaktere mit den verschiedensten Hintergründen sowie Stärken und Schwächen – aber alle wollen sie die Stadt voranbringen.» Mittlerweile hat sie einige Sitzungen erlebt und sie ist beeindruckt vom «Engagement und dem Klima des Respekts». Sie wolle und könne noch viel lernen und sich produktiv einbringen. «Ich will mehr als nur stille Teilnehmerin sein», sagt sie. Nun politisiert sie also bei den Grossen. Kurz nach diesem Satz erinnert sie sich schmunzelnd zurück: «Einst habe ich das Wasser für die Räte gebracht und bereitgestellt. Heute wird das für mich gemacht.»  


Michael Anderegg


 


Fremde Wurzeln


Als Frau mit afghanischen Wurzeln wurde der Neo-Gemeinderätin Parwin Alem Yar in der Vergangenheit immer wieder die Rolle der Exotin aufgedrückt, wie sie sagt. In der Primarschule beispielsweise war sie eine von nur zwei «Ausländern» unter 60 Schülern. Dabei hat sie neben dem Schweizer Pass gar den Bürgerort Frauenfeld, wie sie mit Stolz in der Stimme erwähnt.


Ihre taffe und souveräne Art hat sie übrigens von ihrer Schweizer Tante: «Sie zeigte mir schon früh, wie man für sich selbst einsteht und was wahres Selbstvertrauen ist», sagt sie.


Auch wenn sie keine bestimmten politischen Vorlieben hat, so beschäftigen sie gerade auch Themen wie Migrationspolitik, Frauenrechte inklusive AHV-Reform, Kita-Initiative und Gleichberechtigung. «Ich will meinen Teil für eine bessere Gesellschaft für alle Bevölkerungsschichten beitragen. Ich sage mir auch immer mal wieder, dass ich in Afghanistan nicht einmal die Chance für so ein Engagement erhalten hätte, das macht demütig», sagt sie.


(mra)