Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 04.10.2023

«Fussball ist auch ein Zirkus. Wie Hollywood»

Sandro Schärer ist derzeit der bestqualifizierte Schweizer Fifa-Fussball-Schiedsrichter. In Weinfelden zeigte er auf, wie schwierig sein Job sein kann.

 

 

Beim Panathon Club Thurgau, dem Serviceclub des Sports, hielt Sandro Schärer nicht nur ein interessantes Referat, sondern zeigte in mehreren Videos, was seine Arbeit als Schiedsrichter so alles mit sich bringt: «Es gibt keine andere Sportart als den Fussball, wo jeder im Stadion und daheim vor dem Fernseher ein absoluter Experte ist».


Wie schwierig die Aufgabe des 35-Jährigen ist, merkten die Zuhörer bei präsentierten Videos. Die Meinungen waren in normaler Laufzeit  meist falsch, oft ebenso nach Zeitlupen. Erst ein Standbild zeigte, was etwa in einem Zweikampf wirklich passiert ist. «In der heutigen schnell-lebigen Zeit mit Internet, erhalten wir teils übelste Drohungen, auch wenn wir gar keinen Fehler begangen haben. Vielfach bin ich der Blitzableiter, da ich der einzige auf dem Platz bin, der neutral ist und sein muss. Ich bewundere meine Kollegen, die in unteren Ligen völlig auf sich allein gestellt sind,» hält Schärer fest.


 


Alle Mätzchen kennen


Wenn man sich Fernsehbilder anschaut, wie Spieler, Trainer und Zuschauer nach einem Pfiff teils völlig ausflippen, dann muss der Mann mit der Pfeife totale Ruhe bewahren: «Nur schon der Umgang mit den 22 Akteuren und den vielen Mitgliedern auf der Auswechselbank ist schwierig, denn da hat jeder einen eigenen  Charakter. Da muss ich ein Alphatier sein und das gibt häufig Konflikte».


Schärer, geboren am 6. Juni 1988, bereitet sich deshalb profund auf jeden Match vor: «Ich muss sämtliche Mätzchen kennen. Wenn ein Spieler im Strafraum stets bekanntlich theatralisch fällt und ich weiss das nicht, pfeife ich irrtümlich vielleicht Elfmeter, auch wenn es keiner war. Oder einer der immer motzt, dem sage ich im Vorbeilaufen mal, dass es jetzt reicht». Eine seiner Aussagen gibt zu denken: «Ganz wichtig ist meine Fachkompetenz, denn viele Spieler kennen das Regelwerk leider überhaupt nicht».


 


Messi ist ganz speziell


Sandro Schärer ist ein Unparteiischer, der sehr wenig mit den Spielern redet. Ganz einfach, weil der Lärmpegel im Stadion  permanent hoch ist. Wie geht er bei internationalen Einsätzen als Fifa-Ref (seit 2015) mit den Stars um? Er zuckt mit den Schultern: «Jeder ist anders. Ganz speziell ist lediglich Lionel Messi. Der Argentinier sagt überhaupt nie etwas. Er ist während der Partie in seiner eigenen Welt».  Über das riesige Interesse an diesem Sport – wo mittlerweile Unmengen an Geld fliesst – hält er lachend fest: «Fussball ist auch ein Zirkus. Wie Hollywood».


 


Ein mühsamer Fussballer


Der 35-Jährige blickt strahlend auf seine Zeiten als junger Fussballer zurück: «Ich war ein Motzer und hatte immer Ärger mit den Schiedsrichtern. Darum habe ich schon 2005 den ersten Match gepfiffen, als junger Bursche einen Frauen-Match und war dabei total überfordert. Bereits nach meiner nächsten Begegnung mit Junioren sagte ich allerdings zu meinem besten Freund, ich werde Profi-Schiedsrichter».


Ab 2011 kam der 24-Jährige in der Challenge League zum Einsatz und schon zwei Saisons später pfiff er in der Super League. Mittlerweile ist Schärer zu 80 Prozent als Ref angestellt, er ist also Profi.


Als derzeit bestqualifizierter Fifa-Unparteiischer hierzulande, gibt er unumwunden preis: «Logisch ist es mein Ziel, einmal an einer Weltmeisterschaft mitwirken zu dürfen».  


Vier Möglichkeiten


Natürlich wurde in Weinfelden auch das Thema Video-Schiedsrichter behandelt. Sandro Schärer ist selbst als sogenannter VAR im Einsatz. Er hält fest: «Ab der Saison 2019/20 gibt es den VAR auch in der Schweiz. Die Personen im Hintergrund dürfen lediglich bei vier Szenen eingreifen: Goal, Penalty, rote oder gelbe Karten. Viele Fans im Stadion und daheim vor dem TV wissen das meist nicht».  


(rs)


 Ruedi Stettler