Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 07.02.2024

1300 Jahre Reichenau: Die mächtige Abtei herrschte einst auch im Thurgau

Vortrag im vollen Bürgersaal

Während rund 1000 Jahren war der Thurgau auch ein Stück Reichenau – dies die Quintessenz des Abendvortrags vom letzten Mittwoch im Rathaus Frauenfeld. Das Referat des Konstanzer Geschichtsprofessors Harald Derschka trug den Titel «1300 Jahre Reichenau. Die mächtige Abtei als Grund-, Gerichts- und Lehensherrin im Thurgau». Das Thema stiess auf mehr als grosses Interesse. Propevoll war der Grosse Bürgersaal, und der Erkenntniszuwachs war gewaltig. 

 

 

Gewusst, dass Frauenfeld-Langdorf bis 1798 zum Territorium der Abtei gehörte? Dass alles im Jahre 724 begann, als Bischof Pirmin das Kloster Reichenau gründete? Dass das diesjährige Jubiläum nicht nur Baden-Württemberg betrifft? «Die historischen Beziehungen der Benediktinerabtei Reichenau reichten in ebenso grossem Umfang in die heutige Schweiz und ganz besonders in den Thurgau», so Derschka. Ermatingen, Erchingen (Frauenfeld-Langdorf) und Güter um Eschenz unterstanden der Abtei schon sehr früh. Hunderte von Rittern, Bürgern und vor allem Bauern empfingen am Unterseeufer, auf dem Seerücken und rund um Frauenfeld von den Äbten Höfe und Nutzflächen. 


Zum Grundbesitz der Abtei kamen Herrschaftsrechte, insbesondere die Gerichtsherrschaften. Sie bildeten die Grundlage für das spätmittelalterliche Territorium der Abtei und bestanden als Teil des Hochstifts Konstanz bis zur Gründung des Kantons Thurgau 1798. So nannte der Professor das Unterseeufer zwischen Steckborn und Triboltingen, Fruthwilen, Müllheim, Eschikofen, Frauenfeld-Langdorf mit Horgenbach sowie die Hälfte von Mettendorf und Lustdorf. Viele Bewohner dieses Territoriums waren zugleich Reichenauer Gotteshausleute, also der Abtei persönlich verpflichtet, insbesondere zu einer Erbschaftssteuer, und ihr Status war erblich. Als Gegenleistung bekamen sie bevorzugt Lehen und öffentliche Ämter. 


Dass die Reichenau aber in erster Linie als Kloster waltete, zeigt sich auch in ihren Beziehungen in den Thurgau. «Sie besass das Patronat über mehr als ein Dutzend Thurgauer Pfarrkirchen, war also an der Auswahl der Pfarrer beteiligt», so Derschka. In den Kirchen von Steckborn, Frauenfeld-Oberkirch, Ermatingen und Mannenbach übten gar vom Kloster bestimmte und besoldete Priester die Pfarrseelsorge aus.  


Thomas Schaffner