Frauenfelder Woche

Frauenfeld · 20.03.2024

Steuerfusserhöhung und Budget genehmigt

Der Gemeinderat Frauenfeld sagt Ja zu drei Prozent mehr

Drei Anträge des Stadtrats von Frauenfeld, der Exekutive, lagen der Legislative, dem 40-köpfigen Gemeinderat, an dessen Sitzung vom letzten Mittwoch vor – dies nach Rückweisung des Budgets für 2024 in der denkwürdigen Sitzung von Mitte Dezember 2023: 

 

 

Erstens sei eine Steuerfussanpassung um drei Steuerprozente von 62 auf 65 Prozent zu genehmigen, zweitens das Budget 2024 der Stadtverwaltung gutzuheissen und drittens seien die Finanzpläne 2025 bis 2027 der Stadt Frauenfeld zur Kenntnis zu nehmen. Allen drei Anträgen stimmten die Volksvertretenden zu. Da in der direkten Demokratie aber das Volk selbst das letzte Wort hat, ist die Sache noch nicht in trockenen Tüchern, wurde doch direkt nach Abschluss der Sitzung von der «Gruppe besorgter BürgerInnen», vertreten durch Kurt F. Sieber, das Referendum angekündigt. Es wird also dem Souverän an der Urne obliegen, die Stadtfinanzen für das Jahr 2024, sprich Budget und Steuerfuss, definitiv zu besiegeln – vorausgesetzt, die 500 Stimmen werden in der dafür vorgesehenen Frist von 45 Tagen eingereicht und für gültig erklärt. 


Er orte sowohl beim Stadt- als auch beim Gemeinderat fehlenden Sparwillen, das Volk solle über diese Steuergeldverschwendungen befinden, von diesem gesetzlich verbürgten Recht wolle er Gebrauch machen, meinte Sieber gegenüber dieser Zeitung. 


 



3 Prozent statt 2 Prozent


Und effektiv hatte es sich auch in der Marathon-Debatte nicht schönreden lassen: Defizit bleibt Defizit, und das beträgt bei Nettoinvestitionen von 15.63 Millionen Franken immer noch satte 3.19 Millionen Franken, so weist dies das nun angenomme Budget der Stadtverwaltung für das Jahr 2024 aus.  Mit 33 Ja und 0 Nein bei sechs Enthaltungen war das Ergebnis zwar klar, was aber nicht heisst, dass zuvor nicht stundenlang gefeilscht worden wäre. Der Steuerfuss wurde um drei Prozentpunkte erhöht, dies mit 29 Ja-Stimmen, zehn Nein-Stimmen bei Null Enthaltungen. Der Antrag der Mitte/EVP-Fraktion, lediglich um zwei Prozentpunkte zu erhöhen, war zuvor mit 12 Ja zu 25 Nein bei zwei Enthaltungen verworfen worden. 


Die Finanzpläne 2025 bis 2027 der Stadt Frauenfeld schliesslich wurden mit 34 Ja bei 0 Nein und fünf Enthaltungen zur Kenntnis genommen. 


 



Personelle Koalitionen


Warum aber dauerte die Sitzung geschlagene dreieinhalb Stunden, bevor man sich zum gemeinsamen Bier traf, eingeladen vom Ratspräsidenten Pascal Frey, aus Anlass seines Geburtstages vom Vortag? Weil wie so oft der Teufel im Detail steckt respektive das Ansetzen des Rotstiftes, die beantragten Umgruppierungen von zu kürzenden und andernorts zu erhöhenden Budgetposten ganz unterschiedlichen Überlegungen entsprangen. Im 
Rede-Marathon liess sich dasselbe beobachten wie beim kühlenden Feierabendbier: Ungeahnte personelle Konstellationen und Koalitionen hüben wie drüben, hier geleitet vom schieren Durst und dem Bedürfnis, die strapazierte Kehle, die geschundene Seele mit Gerstensaft zu kühlen und zu besänftigen, vorher in der Ratsdebatte geschuldet den harten finanziellen Fakten, die neue Gemeinsamkeiten stifteten. «So sollte es sein, dass wir Volksvertreter uns ohne Polarisierung, Gehässigkeiten und Unterstellungen in Sachfragen finden, quer durch die Parteien, einfach, weil es Sinn macht», meinte eine aus Bescheidenheit nicht speziell namentlich genannt sein wollende Gemeinderätin im Gespräch mit dieser Zeitung. Wenn der CH-Mann mit dem Mitte-Mann, Links und Grün mit Mitte bis Rechts gegen Links und Grün und Mitte bis Rechts stimmt: dann zeigt sich, dass Parteizugehörigkeit nicht immer oberstes Gebot bei Abstimmungen sein muss. Und effektiv gab es sie lange vor der Erfindung von Gesinnungsgruppen, aus denen dann im 19. und 20. Jahrhundert unsere Parteienlandschaft entstand: die nur dem gesunden Menschenverstand und der Bevölkerung als ganzer verpflichteten Abgeordneten. Von Fraktionszwang und Abgabe der eigenen Urteilskraft im Parteibüro wie in anderen westlichen Demokratien ist hierzulande zum Glück kaum die Rede. 


 



Gemeinsam gegen Defizit-Lawine


Den genauen Ablauf der dreieinhalb Stunden mit dem rund ein Dutzend Änderungsanträgen wird man im detaillierten Ratsprotokoll nachlesen können. Hier seien nur drei Schlaglichter geworfen, die zeigen sollen, wie sachorientierte Politik aussehen könnte, jenseits von Polarisierungen und Parteienhickhack, halt so wie in den Bergregionen, wo es der Lawine egal war und ist, ob der Bannwald, der das Dorf und die Menschen schützt, links, rechts, aus der Mitte, fundamentalistisch oder woke getrieben gepflegt wird: Hauptsache, er wird gepflegt und erfüllt seine Funktion. Weshalb die Menschen miteinander reden müssen, sachorientiert und nicht geleitet von irgendwelchen Parolen aus fernen Parteizentralen. So auch im Flachland, wenn einer speziellen Lawine mit ihren Verwüstungen zu wehren ist: dem finanziellen Defizit. Ist einem das eigene Portemonnaie nicht immer am nächsten, hat nicht jeder und jede andere Vorstellungen, wie gesunde Staats- und Stadtfinanzen zu erwirken seien? Natürlich gibt es da Partei-
linien, die mal mehr oder mal weniger Staat, mehr oder weniger Sozialausgaben, mehr oder weniger Kulturausgaben etc. vorschlagen, aber im konkreten Fall lässt man sich beim eigenen Portemonnaie dann doch primär von, nein, nicht reinem Egoismus leiten, sondern doch eher vom Gewissen und der Verantwortung den künftigen Generationen gegenüber. Und das gebietet dem einen, hier zu streichen und da zuzuschiessen, dem anderen anders oder umgekehrt. Dass das zum Teil querbeet laufende Abstimmungsverhalten nur mit einem Schielen auf die kommenden Kantonsrats- und Regierungsratswahlen und dem Buhlen um die Gunst des Souveräns geschuldet sei, wäre eine unfreundliche Unterstellung, die belegt werden müsste.


 



Ja und Nein querbeet 


Exemplarisch seien hier drei Antrags-Beispiele herausgegriffen. So fand der Antrag von Roman Fischer für die Fraktion CH/Grüne/GLP, die fünfprozentigen Kürzungen der Kulturbeiträge rückgängig zu machen, insbesondere den Beitrag an die Jugendmusikschule Frauenfeld, dafür Kürzungen etwa bei der Quartierentwicklungsstrategie vorzunehmen, dieser Antrag fand etwa Unterstützung von Ruth Krähenmann (Die Mitte), in einem persönlichen Votum. Und die Abstimmung? Entgegen der Mahnung von Stadtpräsident Stokholm, nicht Kultur- und Sozialpolitik miteinander zu vermischen, wurde dem Antrag mit 20 Ja zu 17 Nein bei 2 Enthaltungen zugestimmt. Offensichtlich hatten Fischers und Krähenmanns Argumente gestochen, die die Funktion der Vereine für ein gesundes Gemeinwesen hervorstrichen (siehe Kasten). Mit 20 Nein zu 19 Ja wurde dann hingegen ein weiterer fraktionsübergreifender Antrag verworfen:  Der eine 40-jährige Tradition aufweisende Anerkennungspreis für ehrenamtlich Arbeitende sei nicht zu streichen, sondern wieder bei entsprechender Streichung eines anderen Postens ins Budget aufzunehmen, hatte Roland Wetli für die Fraktion CH/Grüne/GLP mit Unterstützung von Christoph Regli (Die Mitte) beliebt zu machen versucht. 


 



Schub für Arealentwicklung 


Gar mit 36 Ja zu drei Nein inklusive Unterstützung von Stadträtin Andrea Hofmann Kolb wurde dem Antrag von Anita Bernhard-Ott für die Fraktion CH / Grüne / GLP stattgegeben. Damit werden die Budgetposten «Aussiedlung Stadtbetriebe – Neubau Stadtbusdepot, Werkhof, Feuerwehr» und «Arealentwicklung Gaswerkstrasse 16-18a» je wieder mit 50  000 Franken ins Budget 2024 aufgenommen bei entsprechender Kompensierung. Damit wurde die Grundlage gelegt für die allfällige Erstellung von neuem Wohnraum an allerbester Lage im Herzen der Stadt.  


Thomas Schaffner


 


Ein parteiübergreifendes Loblied auf die Vereine


Was bedeutet die Freiwilligenarbeit in den Vereinen? Sie spart Gesundheitskosten, stiftet soziale Verbundenheit, beugt Einsamkeit und psychischen Erkrankungen vor, ermöglicht den wertschätzenden Umgang von Bürgerinnen und Bürgern über alle Parteigrenzen hinweg, ist somit Sozialkitt, der das Gemeinwesen zusammenhält. In Unterstützung des Votums einer anderen Fraktion (Roman Fischer, CH/Grüne/GLP), sagte dies Ruth Krähenmann (Die Mitte) in einem persönlichen Votum, welches im Rat parteiübergreifend Anklang fand und deswegen hier wegen der Grundsätzlichkeit der Aussagen auszugsweise abgedruckt werden soll: 


 



Gesundheitsprophylaxe


«Kultur in Form von Musik, Theater, Kunst und Geselligkeit sind von unschätzbarem Wert für die Gesellschaft. Viel ehrenamtliche Arbeit sowie nur schon das Mitmachen in Vereinen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Für viele Menschen in Frauenfeld sind Vereine nicht nur Orte der gemeinsamen Interessen, sondern auch geistige Heimat und Quelle des Halts in ihrem Leben. Diese engagierten Aktivitäten sind oft ein wichtiger Pfeiler im Alltag und können dazu beitragen, soziale Isolation, Einsamkeit und gar Depression zu verhindern. In einem weiteren Sinne leisten Vereine auch Präventionsarbeit, indem sie ein unterstützendes Umfeld schaffen und die psychische Gesundheit ihrer Mitglieder fördern. (…)» 


 



Sicherung sozialer Frieden


«Es mag jetzt – vor allem in Zeiten wie diesen – übertrieben erscheinen, aber bei genauerer Betrachtung kann das Engagement in Vereinen tatsächlich dazu beitragen, Kosten im Gesundheitswesen zu reduzieren. Menschen, die sich engagieren, erleben ein Gefühl der Teilhabe und Zugehörigkeit und leiden weniger unter gesundheitlichen Problemen, was wiederum zu geringeren Arzt- und Medikamentenkosten führen kann.


Die Bedeutung von Vereinen und ehrenamtlicher Arbeit für das soziale Gefüge kann nicht genug betont werden. Sie bieten nicht nur eine Plattform für gemeinsame Aktivitäten, sondern tragen auch zur Entwicklung und Stärkung eines sozialen Netzes bei. In Vereinen treffen auch Menschen aus diversen politischen Lagern zusammen, was wiederum hilft, dass man trotz unterschiedlicher Meinung im Gespräch bleibt. Auch das ist ein positiver Nebeneffekt. (…)»  


 


Referendum gegen Budget angekündigt 


Bereits am Tag nach dem Ja des Gemeinderats zum überarbeiteten Budget kündete der ehemalige Gemeinderat und «besorgte Bürger von Frauenfeld» Kurt F. Sieber die Unterschriftensammlung für ein Referendum an: «Da der Gemeinderat das Budget 2024 mit einer erneuten Steuerfusserhöhung von drei Prozent beschlossen hat, gilt es jetzt, Unterschriften zu sammeln, damit das Stimmvolk von Frauenfeld an der Urne mitbestimmen kann», schreibt er in einer Mitteilung an die Medien.


Er ist der Meinung, dass beim Stadt- und Gemeinderat der Sparwille noch immer fehle, da auch im überarbeiteten Budget noch ein Minus von 3,19 Mio. Franken resultiere und aus diesem Grund der Steuerfuss entsprechend von 62 auf 65 Prozent erhöht werden soll. 


Die Sammelfrist für die 500 notwendigen Unterschriften ist vom Donnerstag, 14. März bis Freitag, 27. April angesetzt. «Wir werden auf den Strassen Unterschriften sammeln und es kann auch auf Unterschriftenbögen im Coiffeursalon Katharina-Susanna Wellauer an der Freie-Strasse 5 in Frauenfeld unterschrieben werden.» Zudem sei der Unterschriftenbogen auch auf der Webseite verfügbar.  (mra)


www.sieber-frauenfeld.ch             


 


Vereint gegen das Budgetreferendum


Der Gemeinderat hat der 2. Auflage des Budgets 2024 der Frauenfelder Stadtverwaltung am vergangenen Mittwochabend grossmehrheitlich zugestimmt. Auch die vom Stadtrat beantragte Anpassung des Steuerfusses um drei Prozentpunkte von 62 auf 65 Prozent fand im Stadtparlament breite Unterstützung. Frauenfelder Stimmberechtigte haben daraufhin angekündigt, das Referendum gegen die beiden vom Gemeinderat gefassten Beschlüsse zu ergreifen – was grundsätzlich legitim ist. Die Präsidentinnen und Präsidenten der fünf Frauenfelder Gemeinderatsfraktionen – Annina Villiger Wirth (CH/Grüne/GLP), Christian Mader (SVP/EDU), Christoph Regli (Die Mitte/EVP), Sandro Erné (FDP) und Susanne Weibel Hugentobler (SP) – erachten aber in diesem Fall das Ergreifen des Budgetreferendums als in keiner Weise zielführend. Falls es zu einer Referendumsabstimmung kommen würde, wäre die Stadtverwaltung bis zur besagten Abstimmung, die wahrscheinlich im Juni stattfinden würde, weiterhin in ihrer Arbeit eingeschränkt. Dasselbe gilt für Vereine und Organisationen, die im Rahmen von Leistungsvereinbarungen städtische Beiträge erhalten. Zugleich würde die Volksabstimmung Kosten verursachen, und es würden für die Vorbereitung und Durchführung Ressourcen in der Verwaltung gebunden. Eine Budgetabstimmung wäre deshalb unverhältnismässig.


Sachpolitik ist auch immer ein Finden von Kompromissen. Die einen Gemeinderätinnen und Gemeinderäte hätten am Mittwochabend gerne mehr Kosten reduziert, die anderen hätten gerne mehr investiert. Auch beim Steuerfuss gingen die Meinungen auseinander. Das überarbeitete Budget 2024 macht niemanden zu 100 Prozent glücklich. Das zeigt aber gerade auf, dass damit ein vernünftiger Kompromiss gefunden worden ist, hinter dem eine grosse Mehrheit des Gemeinderats steht. Reaktiv ein Referendum zu ergreifen, ist einfacher als durch andere Mittel der politischen Mitwirkung konstruktiv konkrete Sparvorschläge zu machen. Mit einem Ja oder Nein in einer allfälligen Volksabstimmung bliebe ungewiss, wo Kosten reduziert werden sollen und was betreffend Steuerfuss gewünscht wäre. (mgt)